In einer kürzlich gefällten Entscheidung hat sich das Bundesarbeitsgericht wieder einmal in sehr umkämpftes Terrain begeben und sich zu zwei (nach wie vor) heftig umstrittenen Fragen geäussert. Zum einen, inwieweit einem GmbH Geschäftsführer der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten offen steht. Zum anderen, ob unter bestimmten Umständen ein, durch die Berufung zum Geschäftsführer bereits bestehendes Arbeitsverhältnis nach dessen Abberufung wieder auflebt. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu folgenden amtlichen Leitsatz veröffentlicht:
Die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG findet keine Anwendung auf einen Arbeitsvertrag, der eine Geschäftsführerbestellung nicht vorsieht, auch wenn der Arbeitnehmer später aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer bestellt wird. Macht der Arbeitnehmer nach Beendigung der Stellung als Geschäftsführer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Das gilt auch für Ansprüche aus der Zeit als Geschäftsführer.
BAG, Beschluss vom 23.8.11 – 10 AZB 51/10
Grundsätzlich sind die Arbeitsgerichte gem. § 2 I Nr.3 ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Hier greift mit § 5 I 3 ArbGG allerdings eine gesetzliche Fiktion, welche dem Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen soll, dass Mitglieder der Vertretungsorgane mit der von ihnen vertretenen juristischen Person keine Arbeitsgerichtsprozesse im Arbeitgeberlager führen sollen. Dies soll dadurch verhindert werden, dass Personen, welche zur Vertretung der juristischen Person berufen wurden, nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, so dass nicht mehr die Arbeitsgerichte sondern ordentliche Gerichte zuständig sind. Hierzu führt das Gericht aus, dass auch wenn das Mitglied des Vertretungsorgans selbst stark weisungsabhängig ist, und somit in Wirklichkeit als Arbeitnehmer zu klassifizieren ist, die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG greift und sich nicht etwa Arbeitsgerichte sondern ordentliche Gerichte mit dem zur Anwendung kommenden materiellen Arbeitsrecht auseinandersetzen müssen.
Soweit der Regelfall. Hierzu lässt das entscheidende Gericht allerdings zwei Ausnahmen zu, welche trotz der Fiktion den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnen:
1.Weitere Rechtsbeziehung
Dem Rechtsstreit liegt nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zugrunde, sondern eine weitere Rechtsbeziehung. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn das Mitglied des Vertretungsorgans anführt, das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis habe sich nach der Abberufung als Geschäftsführer wieder in ein ’normales‘ Arbeitsverhältnis umgewandelt.
2. Ansprüche aus nicht aufgehobenen Arbeitsvertrag
Das Mitglied der Vertretung der juristischen Person macht nach seiner Abberufung Ansprüche aus einem während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis geltend. Das Gericht erkennt nämlich grundsätzlich an, dass der Berufung zum Geschäftsführer in der Regel eine, als Geschäftsführer-Dienstvertrag einzuordnende, vertragliche Abrede zu Grunde liegt, mittels welcher das Arbeitsverhältnis aufgehoben wird. Wie es Regeln jedoch so an sich haben, bleibt auch diese nicht ohne Ausnahme. Eine solche kann sich daraus ergeben, dass die Berufung ebenfalls auf einen Arbeitsvertrag beruht oder, dass durch ein Nicht-Einhalten des Schriftformerfordernisses des § 623 BGB der Arbeitsvertrag nicht wirksam aufgehoben wird, sondern unbehelligt bestehen bleibt. In beiden Fällen können nach dem durch die Abberufung bedingten Wegfall der Fiktion Ansprüche vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.