In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof mit der Haftung von Gesellschaftern aufgrund unterlassener Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung auseinandergesetzt und diese deutlich abgemildert. Hierzu hat der BGH folgende Leitsätze veröffentlicht:
1. Unterbleibt die mit der Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG und der Anmeldung etwaiger mit einer wirtschaftlichen Neugründung einhergehender Satzungsänderungen zu verbindende Offenle-gung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht, haften die Gesellschafter im Umfang einer Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung ent-weder durch die Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt (Klarstellung zu BGH, Beschlüsse vom 26. November 2007 – II ZA 14/06 Rn. 4 und II ZA 15/06 Rn. 4).
2. Bei fehlender Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung tragen die unter dem Gesichtspunkt der Unterbilanzhaftung in Anspruch genommenen Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in dem Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche Neugründung nach außen in Erscheinung getreten ist, keine Differenz zwischen dem (statutarischen) Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsver-mögens bestanden hat.
3. Die Verpflichtung des Gesellschafters, eine zum Zeitpunkt einer wirtschaftlichen Neugründung beste-hende Unterbilanz auszugleichen, ist eine auf den Geschäftsanteil rückständige Leistung, für die der Erwerber des Geschäftsanteils haftet.
BGH, Urteil vom 6. März 2012 – II ZR 56/10
Bei der wirtschaftlichen Neugründung einer Gesellschaft wird ein leer gewordener Gesellschaftsmantel mit einer neuen Gesellschaft ausgestattet. Die Vorschriften, welche die rechtliche Gründung einer Gesellschaft betreffen, sind hierbei entsprechend heranzuziehen. Hiernach muss auch eine wirtschaftliche Neugründung dem Registergericht offengelegt werden.
Doch welche Konsequenzen drohen, wenn eine solche Offenlegung nicht erfolgt?
Nach bisheriger Rechtslage hafteten die Gesellschafter bei einer unterbliebenen Offenlegung zeitlich unbegrenzt in Form einer Verlustdeckungshaftung. Diese strenge Haftung wurde mit dem vorliegenden Bundesgerichtshofurteil gänzlich aufgegeben. Die Gesellschafter trifft nunmehr nur noch eine Haftung, welche auf den Umfang einer Unterbilanzhaftung beschränkt ist. Diese entsteht in dem Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche Neugründung nach außen in Erscheinung tritt.
Diese Abkehr von der bedingungslosen Übertragung des Haftungsmodells der rechtlichen Gründung wird u.a. damit begründet, dass der Zweck, eine Umgehung von Kapitalaufbringungsregeln zu verhindern, eine unbegrenzte Haftung der Gesellschafter nicht rechtfertigen kann, da die Gefahren für etwaige Gläubiger bei einer Mantelverwendung anders gelagert sind als bei der rechtlichen Neugründung einer Gesellschaft. Ferner besteht keine Veranlassung die Haftung auf Verluste zu erstrecken, welche das Gesellschaftsvermögen erst im Zeitpunkt nach der wirtschaftlichen Neugründung vermindert haben.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.