Die Unterbilanzhaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH unter Verwendung eines alten GmbH-Mantels hat bereits unzählige Urteilsseiten gefüllt. Zu diesen diversen Urteilen sind nun durch das Kammergericht Berlin einige weitere interessante Seiten hinzugekommen. Mit dem Urteil wurden folgende Leitsätze veröffentlicht:
1. Eine Unterbilanzhaftung wegen unterlassener Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung im Falle der Verwendung eines „alten“ GmbH-Mantels setzt voraus, dass die Gesellschaft kein aktives Unternehmen mehr betreibt. Das ist so lange nicht der Fall, wie die Gesellschaft noch mit der Abwicklung ihres Geschäftsbetriebs befasst ist (Fortführung von BGH v. 18.1.2010 – II ZR 61/09, ZIP 2010, 621 = GmbHR 2010, 474 m. Komm. Ulrich).
2. Eine Unterbilanzhaftung im Falle der Mantelverwendung kommt nicht in Betracht, wenn die Neugründung keine unternehmerischen Aktivitäten entfaltet; allein die Anmeldung der Satzungsänderung zum Handelsregister genügt hierfür nicht.
KG Berlin, Urt. v. 26.4.2012 – 23 U 197/11
Um der Bürokratie zu entgehen oder um Zeit zu sparen, entscheiden sich viele Gründer auf eine rechtliche Neugründung zu verzichten und stattdessen einen bereits bestehenden Gesellschaftsmantel mittels einer wirtschaftlichen Neugründung wiederzubeleben. Diese vermeintlichen Vorteile sind allerdings oft teuer erkauft, da durchaus Konstellationen vorstellbar sind, in welchen eine Unterbilanzhaftung der Gesellschafter droht. Eine solche kommt zu Stande, wenn bei der zwingenden Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung bei dem Handelsregister das Stammkapital noch nicht in voller Höhe vorhanden ist. An dieser Stelle setzt das vorliegende Urteil an.
Im Einzelfall schwierig zu beurteilen ist die Frage, ob nun tatsächlich eine wirtschaftliche Neugründung vorliegt oder, ob die alte Gesellschaft nur restrukturiert- oder saniert wird. Um einen leeren Mantel handelt es sich immer dann, wenn die Gesellschaft kein aktives Unternehmen mehr betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpft. Werden kummulativ der Sitz, die Firma oder der Unternehmensgegenstand geändert oder die Geschäftsführung ausgewechselt, stellt dies ein starkes Indiz für eine Mantelverwendung dar. Allerdings hat das Gericht festgehalten, dass eine Mantelverwendung so lange nicht in Betracht kommt, wie die alte Gesellschaft noch mit Abwicklungstätigkeiten beschäftigt ist. Das wird auch nicht dadurch geändert, dass die Gesellschaft das operative Geschäft bereits komplett eingestellt hat.
Für das Vorliegen einer Unterbilanzhaftung reicht es allerdings nicht aus, dass zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister das Stammkapital noch nicht vollständig vorhanden ist. Als zusätzliches Kriterium wird verlangt, dass die wirtschaftlich neugegründete Gesellschaft schon unternehmerisch in Erscheinung getreten ist.
Zu der Frage, inwieweit die wirtschaftliche Neugründung gegenüber einer rechtlichen Neugründung Sinn macht, verweise ich auf meinen Artikel „Das Konstrukt der “wirtschaftlichen Neugründung”: Noch aktuell oder bald ein Relikt vergangener Zeiten?“, eingestellt am 9. 2. 2012.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.