Anders als in den Vereinigten Staaten, in denen eine Insolvenz als natürlicher Vorgang in einem von Risiko geprägten Marktumfeld gilt, ist der Gang zum Insolvenzgericht in Deutschland auch nach der umfassenden ESUG Reform noch stark mit einem Makel belastet. Externe Faktoren, wie beispielsweise die Kreditfreudigkeit von Banken oder die Insolvenz des Hauptkunden werden ausgeblendet. Stattdessen wird eine Insolvenz meist mit individuellen Versagen gleichgestellt.
Verständlich deshalb der Wunsch der Geschäftsführung eines kriselnden Unternehmens dem sozialen Stigma eines Insolvenzantrags zu entgehen, denn derjenige der zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags das Hefter in der Hand hält, ist auch derjenige der in der lokalen Presse erwähnt wird, eine eidesstattliche Versicherung abgeben muss, in das öffentliche Schuldnerverzeichnis aufgenommen wird und negativ in den Wirtschaftsauskunftsdateien gespeichert wird. Diese Faktoren können einen Neuanfang erheblich erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.
Aufgrund dieser Gesichtspunkte hat sich eine ganze Industrie herausgebildet, welche sich ausschließlich mit der sogenannten Firmenbestattung beschäftigt. Hierbei werden alle Gesellschaftsanteile an einen Abwickler veräussert und von diesem die Geschäftsführung ausgewechselt. Der „schwarze Peter“ Insolvenzantragspflicht wird somit auf den nächsten Geschäftsführer weitergereicht. Zudem wird oftmals auch der Sitz verlegt, um gewissen Richtern zu entgehen oder von bestimmten Rechtsordnungen zu profitieren. Werden hierbei die rechtlichen Vorgaben eingehalten, ist dieses Vorgehen per se nicht zu beanstanden.
Oft wird allerdings statt einer für die Abwicklung geeigneten Person, ein vollkommen ungeeigneter Strohgeschäftsführer eingesetzt. Nach kurzer Zeit werden alle Anteile in das europäische Ausland verkauft, wobei beim Umzug zufälligerweise alle relevanten Unterlagen „verlorengehen“. Gläubiger werden entweder zermürbt oder müssen aufgrund ewiger Streitigkeiten über das zuständige Gericht zusehen, wie ihre Insolvenzquote täglich sinkt. Wie der Bundesgerichtshof nun aber festgehalten hat (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – 3 StR 199/12), führt dieses Vorgehen für den ursprünglichen Geschäftsführer zu erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen. Die Übertragung der Anteile auf einen ungeeigneten Strohmann stellt eine Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse i.S.v. § 283 I Nr. 8 Alt. 2 StGB dar. Zudem sind die Übertragung der Anteile und alle folgenden Gesellschafterbeschlüsse aufgrund der angestrebten Benachteiligung der Gläubiger sittenwidrig und danach unwirksam. Bei einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe ist anzunehmen, dass dieses Stigma, das des Insolvenzverfahrens bei weitem übersteigt.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.