Prozessfähigkeit der führungslosen GmbH

Legt der Geschäftsführer einer GmbH, aus welchen Gründen auch immer, sein Amt nieder, steht dadurch der Geschäftsbetrieb nicht plötzlich still. Zu dem Geschaftsbetrieb kann es auch gehören, dass Klage erhoben werden muss. Das FG Sachsen-Anhalt hat sich mit der Prozessfähigkeit einer solchen führungslosen GmbH beschäftigt und folgende Leitsätze veröffentlicht:

1. Hat eine GmbH, obwohl der bisherige Geschäftsführer sein Amt niedergelegt hat, keinen neuen Geschäftsführer bestellt, kann die GmbH im Umkehrschluss aus § 35 I 2 GmbHG nicht von einem ihrer Gesellschafter im Klageverfahren vertreten werden.

2. Dem steht nicht entgegen, dass der eine führungslose GmbH betreffende Steuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung gegenüber dem Gesellschafter als Bekanntgabeempfänger wirksam bekannt gegeben werden können.

3. Eine GmbH ohne Geschäftsführer ist in Ermangelung eines gesetzlichen Vertreters nicht prozessfähig.

FG Sachsen-Anhalt, Urt. vom 15.3.2012 – 3 K 83/10 

Damit zu keinem Zeitpunkt eine Unklarheit der Verhältnisse vorherrscht, bedarf die Amtsniederlegung des Geschäftsführer keines wichtigen Grundes. Nichts anderes gilt, wenn es sich um einen Alleingeschäftsführer handelt und dieser zugleich Geschäftsführer einer Gesellschafterin ist. Wird der Geschäftsführer nicht umgehend durch einen neuen Geschäftsführer ersetzt, ist die Gesellschaft zunächst führungslos.

Gem. § 35 I 2 GmbHG besteht in diesem Fall eine Vertretungsbefugnis der Gesellschafter, falls der Gesellschaft Willenserklärungen oder Schriftstücke zugehen. Aus dem Umkehrschluss folgt allerdings auch, dass die Gesellschafter darüber hinausgehend die Gesellschaft nicht vertreten können. Mangels gesetzlichen Vertreters ist die Gesellschaft in diesem Stadium nicht prozessfähig.

Aufgrund fehlender Klagebefugnis können die Gesellschafter zwar nicht eine Klage in eigenem Namen erheben, sie können aber dennoch die Klage forcieren, indem sie der Führungslosigkeit durch eine schnelle Bestellung eines neuen Geschäftsführers entgegenwirken. Ist dies geschehen, kann die Klage durch diesen erhoben werden.


Benno von Braunbehrens

Benno von Braunbehrens

Rechtsanwalt Benno von Braunbehrens befasst sich seit Jahren mit Themen rund um das GmbH- und Gesellschaftsrecht.

Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.
Benno von Braunbehrens