Kaufleute

Die Ausführungen sollen einen Überblick über die verschiedenen Ausprägungen des Kaufmannsbegriffs verschaffen. Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) und damit im Wesentlichen das Handelsrecht gelten als das Sonder(privat-)recht der Kaufleute. Der Begriff der Kaufleute (bzw. des „Kaufmannes“ wie ihn das HGB benennt) im Rechtssinne unterscheidet sich vom allgemeinen Sprachgebrauch. Dem Wortsinne nach versteht man unter einem Kaufmann eine Person, die Waren anschafft und/oder weiterveräußert, also Umsatzgeschäfte tätigt. Man stellt sich einen „Kaufmannsladen“ vor. Im juristischen Verkehr misst man dem Begriff hingegen eine andere Bedeutung bei. Für Kaufleute gilt das Prinzip der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, da sie aufgrund ihrer Geschäftserfahrung weniger schutzwürdig als Verbraucher sind bzw. unter Ausnutzung der Vertragsfreiheit Verträge mit Geschäftspartnern aushandeln, die jeweils unternehmerische Spielräume nutzen und dadurch individuell für den Vertragszweck der Parteien passend sind. Kaufleute können so Vereinbarungen treffen, die ihren unternehmerischen Bedürfnissen nach Rechtssicherheit und Schnelligkeit im Geschäftsverkehr entsprechen.

A. Kaufleute im Rechtssinne

Die Regelungen zu den Kaufleuten finden sich in den §§ 17 HGB. Dabei werden im Wesentlichen zwei Arten von Kaufleuten unterschieden:

  • Kaufleute kraft Gewerbes und
  • Kaufleute kraft Rechtsform.

Während es für Kaufleute kraft Rechtsform allein auf die Rechtsform des jeweiligen Unternehmensträgers ankommt (z.B. eine GmbH ist Formkaufmann im Sinne des § 6 Abs. 1 HGB, vgl. § 13 Abs. 3 GmbHG), lassen sich die Kaufleute kraft Gewerbes weiter differenzieren. Den Ausgangspunkt bildet dabei § 1 Abs. 1 HGB, wonach derjenige als Kaufmann zu qualifizieren ist, der tatsächlich ein Handelsgewerbe gemäß § 1 Abs. 2 HGB betreibt (sog. Istkaufmann). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 HGB zufolge ist dabei eine bestimmte Mindestbetriebsgröße („es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert“) notwendig.

Wird diese Mindestbetriebsgröße nicht erreicht, scheidet eine Qualifizierung als Istkaufmann nach § 1 Abs. 1 HGB aus. Allerdings besteht auch für Kleingewerbetreibende die Möglichkeit der Erlangung der Kaufmannseigenschaft durch Eintragung in das Handelsregister (sog. Kannkaufmann), vgl. § 2 HGB.

Obwohl land- und forstwirtschaftliche Betriebe gemäß § 3 Abs. 1 HGB grundsätzlich nicht unter § 1 HGB fallen, steht auch ihnen die Möglichkeit der „Kannkaufmannseigenschaft“ nach § 3 Abs. 2 HGB offen, sofern sie die Mindestbetriebsgröße erreichen. Eine ähnliche Fiktion findet nach § 5 HGB auch für zu Unrecht eingetragene Firmen statt.

Im Einzelnen zu den verschiedenen Formen des Kaufmanns und zu den §§ 1 ff. HGB:

B. Istkaufmann, § 1 HGB

Wie bereits angedeutet ist gemäß § 1 Abs. 1 HGB jemand, der ein Handelsgewerbe betreibt, als Istkaufmann anzusehen. Nach der Begriffsdefinition des § 1 Abs. 2 HGB (s. oben) sind zweierlei Merkmale erforderlich:

  1. Betrieb eines Gewerbes und
  2. Erreichung einer bestimmten Mindestbetriebsgröße.

Unter einem solchen Gewerbe versteht man jede (a) selbständige, (b) erlaubte, (c) planmäßige (d) nach außen gerichtete (e) entgeltliche und (f) nicht freiberufliche Tätigkeit.

Nicht umfasst sind hingegen künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeiten (z.B. Rechtsanwälte oder Ärzte). Es handelt sich folglich um ein tätigkeitsbezogenes Merkmal.

Was versteht man unter den einzelnen Merkmalen?

  • Ist von einer selbstständigen Tätigkeit die Rede, werden damit abhängig Beschäftigte wie Arbeitnehmer vom Gewerbebegriff ausgeschlossen. Selbstständigkeit meint dabei die rechtliche, nicht aber zwangsläufig die wirtschaftliche Unabhängigkeit (so dass der Unternehmer, der von Kreditgebern oder Investoren abhängig ist trotzdem selbständig sein kann). Einen weiteren Anhaltspunkt für die Auslegung des Begriffs findet sich in § 84 Absatz 1 Satz 2 HGB: „Selbständig ist, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ Diese Definition, die im Gesetz für die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Handelsvertreter und einem unselbständigen Handlungsgehilfren gedacht ist, kann auch für andere Fälle herangezogen werden. Weitere Abgrenzungskriterien bietet § 611a BGB mit seiner Definition zum Arbeitsvertrag.
Beispiel: Ein sog. Einfirmenvertreter im Sinne des § 92a HGB ist zwar wirtschaftlich von einem Abnehmer abhängig, kann jedoch als Unternehmer gleichermaßen ein Gewerbe betreiben.
  • Erlaubt meint schlicht, dass die ausgeübte Tätigkeit weder gesetzes- noch sittenwidrig sein darf. Vor diesem Hintergrund wirkt sich die ausbleibende Qualifizierung als Gewerbe jedoch kaum aus; derartige Geschäfte sind ohnehin bereits nach §§ 134, 138 BGB nichtig. Es gibt jedoch auch Meinungen, wonach auch bei verbotenen Geschäfte ein Gewerbe vorliegen soll. Dies wird damit begründet, dass ansonsten möglicherweise eine unzulässige Begünstigung solcher Tätigkeiten vorliegen soll. Fraglich ist allerdings, ob Rauschgifthändler oder Waffenschieber vor Gericht darüber streiten möchten, ob der Käufer bei einem Handelskauf die Pflicht hat, die erhaltene Ware unverzüglich zu untersuchen, wie dies bei einem legalen Handelskauf nach § 377 HGB seine Pflicht wäre und ob der Verkäufer in einem solchen Fall argumentieren möchte, er hätte „1A-Ware“ geliefert. Der Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften (wie bespielsweise gewerberechtliche Vorschriften) ist jedoch unbeachtlich (vgl. § 7 HGB).
  • Eine Tätigkeit ist planmäßig (auf eine gewisse Dauer angelegt), wenn sie auf eine unbestimmte Vielfalt von Geschäften gerichtet ist. Gleichzeitig ist sie auf Dauer angelegt, wenn sie nicht nur gelegentlich ausgeübt wird. Insofern ist es jedoch unschädlich, wenn eine Tätigkeit nur saisonal ausgeübt werden kann bzw. auf einen kurzen Zeitraum beschränkt ist. Maßgeblich ist insoweit der Wille des Handelnden, während eines bestimmten Zeitraums einen ganzen Komplex gleichartiger Geschäfte abzuschließen. Demnach fallen aber nicht solche vereinzelte Gelegenheitsgeschäfte wie ein einnmaliger Verkauf auf dem Flohmarkt darunter. Bei ebay-Verkäufern wird es dagegen auf die Umstände des Einzelfalls ankommen.
  • Den Betrieb eines Handelsgewerbes kann nur bei einer offenen, nach außen gerichteten Tätigkeit angenommen werden (sog. Marktorientierung). Die bloße Vermögensverwaltung im Privatvereich ist hiervon nicht erfasst. Die Tätigkeit muss auch für Außenstehende erkennbar sein. Die bloße innere Absicht, ein Gewerbe zu betreiben reicht hierfür nicht aus.

Ist eine Absicht zur Gewinnerzielung nötig oder reicht die sog. Entgeltlichkeit?

  • Ob eine sog. Entgeltlichkeit ausreicht oder (so wie früher nach herrschender Meingung noch angenommen) eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich ist, wurde von Lehre und Rechtsprechung uneinheitlich betrachtet. In der früheren Rechtsprechung wurde die bloße Kostendeckung oder die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke für eine Qualifikation als Gewerbe nicht als ausreichend betrachtet. Nun wird das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht durch eine entgeltliche Tätigkeit am Markt ersetzt (vgl. Wertung des § 354 HGB), da eine Gewinnerzielungsabsicht als unternehmensinterne Tatsache keine Auswirkungen auf die rechtliche Behandlung im Verkehr haben dürfe, da diese für Außenstehende nicht erkennbar ist. Die Kaufmannseigenschaft kann daher gegeben sein, wenn der Anbieter für seine Leistungen / Waren am Markt ein Entgelt erwartet. An der Entgeltlichkeit fehlt es jedoch bei karitativen Tätigkeiten wie Spendensammeln u.ä.

Darüber hinaus muss noch ein negatives Merkmal ausgeschlossen werden, um die Kaufmannseigenschaft zu bejahen.

  • Ob eine Tätigkeit als freier Beruf anzusehen ist oder nicht, bestimmt sich grundsätzlich nach der Verkehrsanschauung. Insofern sind insbesondere die höchstpersönliche Leistungserbringung und eine ausgeprägte Kreativität maßgebliche Anhaltspunkte (vgl. Dienste höherer Art in § 627 BGB). Ansonsten bestimmt das Gesetz für manche freien Berufe ausdrücklich, dass diese kein Gewerbe darstellen können. Diese Abgrenzung ist historisch zu bewerten: bei Freiberuflern steht die höchstpersönliche Dienstleistung im Vordergrund, während die Leistungen von Gewerbetreibenden vornehmlich auf dem Einsatz von Produktionsmitteln und fremder Arbeitskraft beruht.
Beispiel: Als Freiberufler sind etwa Privatlehrer oder Schriftsteller zu qualifizieren. Außerdem ergibt sich dies etwa für Rechtsanwälte ausdrücklich aus § 2 BRAO und für Ärzte aus § 1 der Bundesärzteordnung. Apotheker sind demgegenüber keine Freiberufler, da bei ihnen der Handel mit Waren im Vordergrund steht.
Beachte: Zwar findet sich in § 1 Abs. 2 PartGG eine Auflistung freier Berufe, allerdings ist diese nicht bindend für den handelsrechtlichen Gewerbebegriff. Sie kann jedoch als Gedankenstütze herangezogen werden.

Welche Mindestgröße ist erforderlich?

Die Kaufmannseigenschaft verlangt zudem, dass es sich um ein Handelsgewerbe handelt. Das Gesetz knüpft hinsichtlich der Mindestbetriebsgröße (vgl. „Art und Umfang“, § 1 Abs. 2 HGB) nicht an starre Kennzahlen wie etwa der Bilanzsumme oder des Betriebsvermögens an. Es handelt sich folglich um eine rein wertende Gesamtbetrachtung, von deren Erreichung im Zweifel auszugehen ist.

Es handelt sich um eine sog. widerlegliche Vermutung (vgl: den Wortlaut der Vorschrift: „es sei denn“). Solange also keine Anzeichen dafür vorliegen, dass es sich um einen Kleinbetrieb handelt, wird von einem Handelsgewerbe ausgegangen.

Im Rahmen der ART des Gewerbes wird unter anderem die Schwierigkeit und Komplexität der vorkommenden Geschäfte, deren Abwicklungsweise sowie die Diversität an angebotenen Leistungen und Erzeugnissen bewertet. Es handelt sich hierbei um ein qualitatives Merkmal.

Das Merkmal des UMFANGS bezieht sich demgegenüber auf quantitative Umstände. Es ist gleichzusetzen mit der Betriebsgröße, bei welcher etwa die Zahl der Beschäftigten, die Größe der Betriebsstätten und das Umsatzvolumen – neben weiteren Merkmalen – betrachtet werden. In der Rechtsprechung wird teilweise ein Richtlinienwert von 250.000 € Umsatz pro Jahr angenommen. Dieser Wert muss jedoch noch unter Betrachtung der sonstigen Umstände mit Blick auf das Gesamtbild des Unternehmens kritisch betrachtet und bewertet werden. Letztlich sind auch von diesem Richtwert Abweichungen in beide Richtungen denkbar.

Was kennzeichnet einen „in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“?

Hierunter versteht man diejenigen Einrichtungen, die ein Kaufmann schaffen muss, übersichtliche und zuverlässige Geschäftsführung gewährleisten zu können. Dazu zählt beispielsweise eine ordnungsgemäße Lohnbuchhaltung, die Aufbewahrung der Geschäftskorrespondenz oder die Führung von Handelsbüchern. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob solche Einrichtungen wirklich vorhanden sind, sondern allein darauf, ob sie erforderlich sind.

Wann muss ein solcher Gewerbebetrieb vorliegen?

In zeitlicher Hinsicht sind grds. jeweils die aktuellen Verhältnisse maßgeblich, nicht hingegen, wie sich ein Unternehmen voraussichtlich in der Zukunft entwickeln wird. Anders kann dies sein, wenn ein Unternehmen schon im Gründungsstadium auf einen kaufmännischen Betrieb angelegt ist und damit zu rechnen ist, dass sich in naher Zukunft ein solcher Betrieb entwickeln wird.

Schrumpft dagegen ein Unternehmen infolge einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung zu einem Kleingewerbe herab, ändert dies zunächst nichts an der Kaufmannseigenschaft, vgl. § 2, 5 HGB. Ist eine Eintragung der Firma entgegen der Anmeldepflicht nach § 29 HGB indes unterblieben, so endet mit Herabsinken zum Kleingewerbe auch die Kaufmannseigenschaft des Betreibers.

C. Kannkaufmann, § 2 HGB

Ist ein (Klein-)Gewerbetreibender nicht bereits als Istkaufmann im Sinne des § 1 HGB zu qualifizieren, hat er ein WAHLRECHT und „kann“ sich eintragen lassen. Durch die freiwillige Eintragung (vgl. „berechtigt, aber nicht verpflichtet“ in § 2 S. 2 HGB) in das Handelsregister ergibt sich dabei die Möglichkeit die Kaufmannseigenschaft zu erwerben (sog. Kannkaufmann). Nach erfolgter Eintragung gelten die Rechtsfolgen, die mit der Kaufmannseigenschaft einhergehen, gleichermaßen.

Hat der Kleingewerbetreibende nicht die Mindestbetriebsgröße nach § 1 Abs. 2 HGB erreicht, steht ihm nach § 2 S. 3 HGB die Möglichkeit offen, die Löschung aus dem Handelsregister zu beantragen (sein Wahlrecht besteht somit auch in dieser Richtung noch immer). Damit entfallen die kaufmännischen Pflichten nachträglich wieder, weshalb er auch „Kaufmann mit Rückfahrkarte“ (Schmid) genannt werden kann. Das Handelsregister prüft in diesem Fall aber, ob nicht die Voraussetzungen des § 1 HGB (Istkaufmann) gegeben sind.

Beachte: War die Eintragung in das Handelsregister ursprünglich bereits unrichtig (z.B. weil das Unternehmen nicht als Gewerbebetrieb qualifiziert werden kann), so hat das Registergericht diese Eintragung von Amts wegen zu löschen, vgl. § 395 Abs. 1 FamFG.

Entscheidet sich ein Kleingewerbetreibender gegen die Eintragung, sind für ihn lediglich die Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts anwendbar.

D. Land- und Forstwirtschaft, § 3 HGB

Der Ausschluss land- und forstwirtschaftlicher Gewerbebetriebe aus dem Kreis der Istkaufleute gemäß § 3 Abs. 1 HGB ist Ausdruck der Privilegierung dieses Tätigkeitsfeldes. Ihnen steht die Möglichkeit offen, die Kaufmannseigenschaft durch Eintragung in das Handelsregister zu erwerben, § 3 Abs. 2 HGB. Es handelt sich bei Land- und Forstwirten ebenfalls um Kannkaufleute, die sich nicht in das Handelsregister eintragen lassen müssen. Sie haben ein WAHLRECHT. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung (konstitutiv aus lateinisch constitutus, „grundlegend“, oder „begründend“).

Unter Landwirtschaft versteht man die Gewinnung pflanzlicher und tierischer Rohstoffe durch Landbau und deren Weiterverarbeitung, wobei die eigenen Bodennutzung maßgeblich ist (Acker-, Obst-, und Weinbau). Demgegenüber umfasst Forstwirtschaft die Gewinnund von Waldprodukten durch planmäßiges Auf- und Abforsten und deren Verwertung.

Nach § 3 Absatz 3 HGB gelten die Regelung der Absätze 1 und 2 sinngemäß auch für Nebengewebe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Ein Nebengewerbe muss vom Hauptgewerbe organisatorisch getrennt, aber dennoch mit diesem wirtschaftlich verbunden und von ihm abhängig sein. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb muss immer der Hauptbetrieb sein, wobei für die Betrachtung nicht schädlich ist, dass der Umsatz des Nebenbetriebs höher ist. Darüber hinaus müssen Haupt- und Nebenbetrieb denselben Inhaber haben.

E.Kaufmann kraft Eintragung, § 5 HGB: Fiktivkaufmann

Die Vorschrift des Paragraphen 5 HGB regelt den sogenannten Fiktivkaufmann. Diese Vorschrift ist nicht auf den ersten Blick zu erschließen, weshalb wir auch der Frage nachgehen müssen was der Zweck dieser Vorschrift ist.

Wi sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kann es durchaus schwierig sein zu entscheiden ob ein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb erforderlich ist oder nicht. In solchen Zweifelsfällen kann Paragraph 5 HGB helfen, indem er etwaige Unsicherheit über die Anwendbarkeit des HGB beseitigt. Nach Paragraph 5 HGB muss sich nämlich jemand wie ein Kaufmann behandeln lassen, wenn seine Firma in das Handelsregister eingetragen ist und zwar ein Gewerbe betrieben wird, das aber kein Handelsgewerbe sein muss (und damit eigentlich ein Nichtkaufmann vorliegt).

Wer als Kaufmann eingetragen ist gilt also als Kaufmann. Darin liegt die Fiktion. Der eingetragene Gewerbetreibende kann also nicht einwenden, er sei kein Gewerbetreibender. Insbesondere hat er dadurch auf Handelsbräuche Rücksicht zu nehmen und die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzuhalten ( §§ 346f HGB) und bei Handelskäufen beispielsweise die unverzüglich hier Rügepflicht des Paragraphen 377 HGB einzuhalten. Es gelten für ihn mithin verschärfte Anforderungen, da er von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Im Interesse der RECHTSSICHERHEIT wird bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 HGB die Handelsgewerblichkeit fingiert.

§ 5 HGB ist bei Vorliegen von drei Voraussetzungen anwendbar: Es muss eine FIRMA in das Handelsregister eingetragen ein. Es muss ein GEWERBE betrieben werden. Darüber hinaus müssen der Gewerbetreibende und der im Handelsregister eingetragene IDENTISCH sein:

1. Eintragung einer Firma in das Handelsregister
2. Betrieb eines Gewerbes
3. Identität von Gewerbetreibendem und im Handelsregister Eingetragenem

Diese Vorschrift dient der Rechtssichertheit, da sie für und gegen jedermann wirkt, d.h. nicht nur für denjenigen, der die Eintragung der Firma kennt und gutgläubig ist. Sie wirkt auch zu Gunsten des Eingetragenen.

Häufigster Anwendungsfall ist wohl die Konstellation, dass jemand irrtümlich eine Pflicht zur Eintragung annimmt, obwohl es sich um ein Kleingewerbe handelt. § 5 verschafft Sicherheit indem es in dieser Konstellation nach einer Eintragung auch die Vorschriften des Handelsrechts anwendet.

 

F. Kaufmann kraft Rechtsform, § 6 HGB (Handelsgesellschaften)

Nach § 6 Absatz 1 HGB sind die für (Einzel-)Kaufleute geltenden Vorschriften auch auf Handelsgesellschaften anwendbar. Das sind einerseits Personenhandelsgesellschaft wie die OHG und die KG (für deren Entstehung nach § 105 Absatz 1 HGB bereits Voraussetzung ist, dass sie ein Handelsgewerbe betreiben) und andererseits Kapitalgesellschaft wie GmbH und Aktiengesellschaft. Diese Kapitalgesellschaften sind dann ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens allein wegen ihrer Rechtsform Kaufleute. Der Betrieb eines Handelsgewerbes wird bei Ihnen fingiert. Weder Vorstandsmitglieder oder Aktionäre einer AG nocht Geschäftsführer oder Gesellschafter einer GmbH sind Kaufleute. Bei den Personenhandelsgesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter als Kaufleute anzusehen (der sog. Komplementär einer KG). Die beschränkt haftenden Kommanditisten sind hingegen keine Kaufleute.

§ 6 Absatz 2 HGB stellt darüber hinaus überflüssigerweise fest, dass ein Verein, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, dies bleibt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 HGB nicht vorliegen.

G. Scheinkaufmann

Neben diesen im Gesetz statuierten Arten von Kaufleuten, kann die Kaufmannseigenschaft auch kraft Rechtsschein entstehen (sog. Scheinkaufmann). Diese Rechtsfigur ist dann anwendbar, wenn nicht schon ein Anwendungsfall von § 5 HGB vorliegt. Das ist also zuerst zu überprüfen.

Allgemeine Rechtsscheingrundsätze: Wer zurechenbar einen Rechtsscheintatbestand geschaffen hat, muss sich von einem Gutgläubigen, der im Vertrauen hierauf Dispositionen getroffen hat, an dem Rechtsscheintatbestand nach dessen Wahl festhalten lassen.

Für den Scheinkaufmann ergibt sich daraus Folgendes: Erzeugt ein Nichtkaufmann durch sein Verhalten oder sein Auftreten den Rechtsschein, es handele sich um einen Kaufmann, und vertraut ein gutgläubiger Dritter hierauf, muss er sich wie ein Kaufmann behandeln lassen, wenn der Dritte Dispositionen tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Art getroffen hat. Dabei muss sich der Nichtkaufmann einer Einrichtung (z.B. Nutzung einer Firma) bedienen, die allein Kaufleuten vorbehalten ist.

Beispiel: Der nicht ins Handelsregister eingetragene Kleingewerbetreibende N verwendet auf seinem Briefkopf stets den Zusatz „e.K.“. Er erweckt damit im Rechtsverkehr den Anschein, es handele sich um einen eingetragenen Kaufmann im Sinne des § 1 bzw. § 2 HGB. Er verbürgt sich gegenüber Gläubiger G, der im Vorfeld bereits einen Brief von N erhalten hat und auf seine Kaufmannseigenschaft vertraut, mündlich für eine Schuld seines Freundes. G möchte N nun in Anspruch nehmen, der sich jedoch auf Formnichtigkeit beruft, vgl. §§ 125, 766 BGB. Im Verhältnis zu G muss sich N jedoch wegen des von ihm gesetzten Rechtsscheins als Kaufmann behandeln lassen, sodass die Bürgschaft nach § 350 HGB auch mündlich wirksam abgegeben werden konnte.

Wer also den Schein erweckt, er agiere als Kaufmann, muss sich zum Schutz des Geschäftsverkehrs auch als ein solcher behandeln lassen, sofern der Geschäftsgegner diese Folge bevorzugt. Die Entscheidung, ob er sich auf die wahre oder die scheinbare Rechtslage beruft, steht ihm dabei stets offen.

Schließlich ergeben sich folgende Voraussetzungen für den Scheinkaufmann:

  1. Setzung eines zurechenbaren Rechtsscheins durch den Nichtkaufmann
  2. Gutgläubigkeit des Dritten
  3. Kausalität für die Disposition

F. Sonstiger Verkehrsschutz

Verkehrsschutz wird dabei nicht nur über die Konstruktion des Scheinkaufmannes, sondern zusätzlich über die Vorschrift des § 5 HGB erreicht. Mit ihrer Hilfe lassen sich Streitigkeiten über die betriebliche Mindestgröße vermeiden: Ist die Firma in das Handelsregister eingetragen, gilt der Betreiber unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB aufgrund der Fiktion der Handelsgewerblichkeit als Istkaufmann. Ein eingetragener Kaufmann kann sich also nicht auf die Nichterreichung der Mindestbetriebsgröße berufen.

§ 5 HGB macht den Eingetragenen also im Rechts- und Prozessverkehr zum Kaufmann, weshalb er sich nicht auf das Fehlen der Anforderungen des § 1 Abs. 2 HGB berufen kann, um die beispielsweise die Formunwirksamkeit einer Bürgschaftserklärung trotz § 350 HGB begründen zu können. Zum Ausgleich steht ihm jedoch auch die Berufung auf diese Vorschriften zu seinem Vorteil frei. Insoweit besteht also ein zentraler Unterschied zum Scheinkaufmann.

G. Zusammenfassung

Gleich, ob Ist-, Kann– oder gar Scheinkaufmann, die Rechtsfolgen sind identisch: Die handelsrechtlichen Vorschriften finden Anwendung. Zwar gehen mit der Qualifizierung als Ist– bzw. Kannkaufmann verschiedene Pflichten einher (z.B. die Firmenführungspflicht nach § 17 HGB, die Registerpflicht gemäß § 29 HGB oder die Buchführungspflicht nach § 238 HGB), allerdings erhält der Kaufmann auch unterschiedliche Erleichterungen im Vergleich zu den gewöhnlichen privatrechtlichen Vorschriften (etwa die Formerleichterung bei der Bürgschaftserklärung nach § 350 HGB oder die Wirkung des § 362 HGB). Demgegenüber wird man dem Scheinkaufmann in der Praxis nur dann begegnen, wenn die Kaufmannseigenschaft zu seinen Lasten wirkt (z.B. weil er sich auf das Nichtbestehen der Rügeobliegenheit nach § 377 HGB berufen möchte).