Das Insolvenzverfahren im Unternehmen

Die steigenden Kosten für Strom und Gas bergen großes Gefahrpotenzial hinsichtlich der finanziellen Situation vieler Unternehmen und Betriebe. Anlässlich dessen wurde in der Politik der Wunsch nach einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht laut, um Betroffene in der Krise finanziell zu schützen. Was aber verbirgt sich hinter dieser Insolvenzantragspflicht oder dem Begriff der „Insolvenz“ allgemein? Der folgende Beitrag soll Ihnen einen Überblick über das Insolvenzverfahren und seine Folgen in Deutschland geben.

Kern des Insolvenzverfahrens für Unternehmen ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger – in der Regel – durch Verwertung des Vermögens und einer anschließenden Verteilung des Erlöses, d.h. das übrige Vermögen soll anteilig unter den Gläubigern aufgeteilt werden, vgl. § 1 InsO.

Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab?

Das Insolvenzverfahren unterteilt sich in drei Phasen: der Verfahrensbeginn wird mit einem Insolvenzantrag eingeläutet. Im anschließenden Eröffnungsverfahren stehen Antragsprüfung und die Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen im Zentrum. Hierbei möchte der Staat ein ungeregeltes Abfließen von Vermögenswerten an Dritte vermeiden, um möglichst viel für die Gläubiger zu erhalten. Das eröffnete Insolvenzverfahren gliedert sich dann grundsätzlich seinerseits in verschiedene Abwicklungsphasen des Unternehmens.

  • Wie und wann stellt man einen Insolvenzantrag?

Der Insolvenzeröffnungsantrag wird bzw. sollte (!) zumeist vom Schuldner selbst (sog. Eigenantrag), kann jedoch auch von einem Gläubiger (sog. Fremdantrag) gestellt werden, § 13 Abs. 1 InsO. Letzteres sollte bei tatsächlichem Vorliegen eines Insolvenzgrundes vermieden werden, indem man den gefährlichen Fremdanträgen durch einen Eigenantrag zuvorkommt.

Bei juristischen Personen (z.B. GmbH oder AG) sowie bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (z.B. oHG oder KG) obliegt den Mitgliedern des Vertretungsorgans bzw. den persönlich haftenden Gesellschaftern gemäß § 15a InsO die Pflicht zur Antragstellung, sofern das Unternehmen entweder bereits zahlungsunfähig ist (§ 17 InsO), dies zu werden droht (§ 18 InsO) oder – dies gilt lediglich für juristische Personen – überschuldet ist (§ 19 InsO).

Dabei ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Dies ist anzunehmen, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat, vgl. § 17 Abs. 2 InsO. Drohende Zahlungsunfähigkeit stellt sich ein, wenn selbiger hierzu aller Voraussicht nach in einem Prognosezeitraum von 24 Monaten nicht mehr in Lage sein wird, vgl. § 18 Abs. 2 InsO. Der Schuldner gilt ferner als überschuldet, wenn sein Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann. Eine Ausnahme besteht jedoch in Fällen, in denen die Fortführung des Unternehmens im folgenden Jahr (12 Monate) wahrscheinlich erscheint, vgl. § 19 Abs. 2 InsO.

Das Vorliegen eines der drei Eröffnungsgründe ist dabei Grundvoraussetzung für die Berechtigung zur Antragstellung, § 16 InsO.

  • Was versteht man unter der „Antragsprüfung“?

Nachdem der Antrag gestellt wurde, prüft das Insolvenzgericht zunächst die Glaubhaftigkeit der Insolvenzgründe. Aufgrund der  Dauer (bis zu sechs Wochen) zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung, kann das Gericht währenddessen erste Sicherheitsmaßnahmen anordnen, um der Benachteiligung einzelner Gläubiger vorzubeugen und die Fortführung des Unternehmens zu gewährleisten, sofern dies sinnvoll erscheint.

Zu den in § 21 InsO geregelten Maßnahmen zählen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, ein Verfügungsverbot des Schuldners sowie die Untersagung und Einstellung von Zwangsvollstreckungen.

Als erste Sicherungsmaßnahme bestellt das Gericht regelmäßig den vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser prüft, ob tatsächlich einer der Insolvenzgründe vorliegt. Daneben gehört es zu seiner Aufgabe, die Insolvenzmasse zu sichten. Der Insolvenzverwalter prüft dabei zunächst, ob noch genug Masse vorhanden ist, um die Verfahrenskosten zu tilgen. Nach dessen Einsetzung kann das Gericht gegenüber dem Schuldner ein Verfügungsverbot anordnen. Wonach der Schuldner nicht mehr über sein Vermögen verfügen darf. Nur der vorläufige Insolvenzverwalter hat die entsprechende Befugnis hierzu. Verfügt der Schuldner dennoch, sind sie nur dann wirksam, wenn der Insolvenzverwalter ihnen zustimmt (sog. Zustimmungsvorbehalt).

Viele Schuldner befinden sich zur Zeit der Antragstellung bereits in einem oder mehreren Zwangsvollstreckungsverfahren wie einer Kontopfändung oder Zwangsvollstreckungen bezüglich wertvoller Gegenstände oder Immobilien. Das Gericht kann diese Zwangsvollstreckungen untersagen oder deren vollständige Einstellung anordnen, um das gepfändete Vermögen für die Insolvenzmasse zu erhalten.

  • Wie läuft das Eröffnungsverfahren ab?

Reicht das Vermögen des Schuldners wahrscheinlich aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, erlässt das Gericht den Eröffnungsbeschluss. Ansonsten wird das Verfahren „mangels Masse“ abgelehnt. Der erlassene Eröffnungsbeschluss wird dann allen bis dato bekannten Gläubigern sowie dem Schuldner zugestellt, womit eine Reihe rechtlicher Konsequenzen für die Gläubiger verbunden sind.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändern sich jedoch auch die Machtverhältnisse innerhalb des Unternehmens: Die Geschäftsführung ist selbst dann entmachtet, wenn sie eigentlich Eigentümerin des Unternehmens ist. Stattdessen tritt der Insolvenzverwalter quasi in die rechtliche Stellung der Geschäftsführung ein und erhält dessen Befugnisse. Er verwaltet also gem. § 80 Abs. 1 InsO das Vermögen des Schuldners und leitet dessen Geschäft. Der Insolvenzverwalter agiert dabei mit dem Ziel einer Vermögensmehrung, um die Forderungen des Gesellschaft bestmöglich bedienen zu können.

Was ändert sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens?

Es ist denkbar, dass im Zeitpunkt der Antragstellung bereits gerichtliche Prozesse für und gegen den Insolvenzschuldner laufen. Allerdings endet gem. § 80 Abs. 1 InsO auch die Prozessführungsbefugnis des Schuldners, weshalb dem Insolvenzverwalter insoweit die Entscheidungskompetenz bezüglich des weiteren Vorgehens im Prozess zukommt.

Erklärtes Ziel des Insolvenzverfahrens ist die gerechte und gleichmäßige Vermögensverteilung unter den Gläubigern. Das Gericht kann unter anderem Vollstreckungsverbote anordnen, um eine Beeinträchtigung dieses Ziels zu vermeiden. Hierdurch soll eine Einzelvollstreckung verhindert werden, im Rahmen derer sich einzelne Gläubiger bevorzugt aus der Masse bedienen, noch bevor die eigentliche Gesamtvollstreckung „eröffnet“ ist. Ausnahmen hiervon werden nur in Einzelfällen gemacht: Eine Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung schafft z.B. das sog. Absonderungsrecht: Steht einem Gläubiger ein Sicherungsrecht – wie etwa ein Pfandrecht auf einen Gegenstand des Unternehmens – zu, so genießt dieser Vorrang. Ihm steht die gesonderte Befriedigung außerhalb des eigentlichen Insolvenzverfahrens zu. Wenn ein Lieferant einem Unternehmen einen Gegenstand unter Eigentumsvorbehalt liefert, kann dieser – sofern er rechtzeitig tätig wird – ein Absonderungsrecht geltend machen.

Ein naher Begriffsverwandter ist das sog. Aussonderungsrecht. Gemeint ist die Ausgliederung von Vermögensgegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Beispielsweise kann der Insolvenzverwalter dem Unternehmensvermögen keine Gegenstände zuordnen, die gar nicht im Eigentum des Schuldners stehen. Diese Abgrenzung bereitet vor allem bei kleinen Unternehmen Probleme, wenn unklar ist, welche Vermögensgegenstände zum Privatvermögen und welche zum Unternehmensvermögen zählen.

Wirkt sich das Insolvenzverfahren auch bestehende Verträge aus?

Die Antwort hierauf ist „Es kommt darauf an“. Auswirkungen auf Verträge hat das Insolvenzverfahren grundsätzlich nur auf sog. schwebende Verträge. Hierbei handelt es sich um lediglich teilweise erfüllte Verträge, also wenn z.B. bereits Waren von Lieferant L geliefert, diese jedoch noch nicht von Käufer K bezahlt wurden. Wird K nun insolvent bevor er die offene Rechnung beglichen hat, muss L hierfür eine Insolvenzforderung geltend machen. Im Ergebnis folgen hierauf regelmäßig erhebliche finanzielle Verluste für den Lieferanten.

Im umgekehrten Fall, wenn L insolvent wird und bereits geleistet hat, muss K weiterhin die offene Rechnung vollständig begleichen. Hieran ändert die einseitige Insolvenz nichts.

Welche Folgen zieht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach sich?

Sowohl bei der AG als auch bei der GmbH stellt sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Auflösungsgrund dar, vgl. §§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG. Selbiges gilt jedoch auch für die oHG und KG, vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB gegebenenfalls. i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB.

Beschließt die Hauptversammlung einer AG die Eröffnung, bleibt die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft hiervon unberührt. Folglich kann die AG weiterhin Trägerin von Rechten und Pflichten sein. Die AG wird damit nicht unverzüglich beendet, jedoch wird der Gesellschaftszweck von der Insolvenz überlagert. Mithin soll das restliche Vermögen verwertet und unter den Gläubigern verteilt werden. Erst im Anschluss daran wird die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht und gilt damit als beendet.

Die Folgen der Eröffnung unterscheiden sich bei der GmbH hiervon grundsätzlich nicht. Die Auflösungswirkung tritt auch hier mit dem Beschluss ein, mit welchem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Hierdurch bleiben die Gesellschaftsorgane zwar unberührt, jedoch sind die Rechte des Insolvenzverwalters, welchem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis obliegt, vorrangig. Insoweit erlöschen auch alle erteilten Prokuren und Vollmachten, § 117 InsO. Eine Fortsetzung ist allerdings möglich, wenn das Insolvenzverfahren gem. § 258 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans oder auf entsprechenden Antrag der Gesellschaft gem. §§ 212, 213 InsO aufgehoben wird.

Für oHG und KG ergeben sich hierzu keine Unterschiede. Die Gesellschaften können gem. § 144 HGB ebenfalls unter den oben genannten Voraussetzungen durch Gesellschafterbeschluss fortgesetzt werden.

Zusammenfassung

Ist ein Unternehmen reif für die Insolvenz, so gilt es schnell zu handeln. Andernfalls drohen nicht lediglich zivilrechtliche Folgen, die schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht kann auch strafrechtlich verfolgt werden (sog. Insolvenzverschleppung).

Kann die SPD ihr Anliegen hinsichtlich der Aussetzung der Antragspflicht nicht durchsetzen, gilt es wachsam zu bleiben. Sind Sie ein in finanzielle Not geratenes Unternehmen? Wir beraten Sie gerne über das Vorgehen zur Vermeidung einer strafrechtlichen Sanktion und einen Weg aus der Talsohle.

Aber nicht nur betroffene Unternehmen benötigen Beratung. Das Insolvenzverfahren dient schließlich in erster Linie dem Gläubigerschutz. Wie Sie die Ihnen zustehenden Forderungen trotz Insolvenz des Schuldners erfolgreich durchsetzen können, erarbeiten wir nach einer Chancenbewertung gemeinsam mit Ihnen.

Jan Köster

Rechtsanwalt Jan Köster ist seit 2009 Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht seit 2007 Fachanwalt für Steuerrecht.
Die kanzleiköster ist eine auf das Gesellschaftsrecht spezialisierte Boutique-Kanzlei in Münchens Museums- und Universitätsviertel Maxvorstadt.