A. HANDELSREGISTER
Das Handelsregister (§ 8 HGB) ist ein bei den Amtsgerichten geführtes öffentliches Register.
Es dient durch Offenlegung der wichtigsten Rechtsverhältnisse der Kaufleute der Sicherheit
des Handelsverkehrs und wird elektronisch geführt, § 8 Absatz 1 HGB. In das Handelsregister
kann jedermann zu jederzeit Einsicht nehmen, § 9 Absatz 1 HGB. Mittlerweile ist die
Einsichtnahme in das Handelsregister auch kostenfrei. und hängt nicht (wie beim Grundbuch
bspw. durch § 12 GBO) von einem besonderen Interesse ab. Hier kann direkt (d.h. auch
online) für reine informatorische oder wirtschaftliche Zwecke Einsicht genommen werden
(www.handelsregister.de).
Im Handelsregister exisiteren zwei Abteilungen:
1. HRA für Einzelkaufleute und Personengesellschaften: OHG, KG
2. HRB für Kapitalgesellschaften wie insbesondere GmbH und AG
Seit 2024 können auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts in ein Register eingetragen
werden. Dies ist jedoch nicht das Handelsregister sondern das Gsellschaftsregister. Dieses ist
nicht mit dem Handelsregister zu verwechseln.
Das Handelsregister hat den Anspruch, die Öffentlichkeit richtig und rechtsverbindlich zu
informieren. Es erfüllt damit wichtige Funktionen, die hier nachfolgend vorgestellt werden:
I. PUBLIZITÄTSFUNKTION, § 15 HGB
Die Vorschrift des § 15 HGB ist das Herzstück des Registerrechts.
Das Gesetz misst den Eintragungen im Handelsregister verschiedene Publizitätswirkungen
bei. § 15 Absatz 1 HGB regelt den Schutz Dritter bei der Nichteintragung oder
Nichtbekanntmachung einzutragender Tatsachen. Die Bekanntmachung ist in § 10 HGB
geregelt. Der Inhalt wurde zuletzt 2022 dahingehend geändert, um nicht zu sagen
modernisiert, dass die Offenlegung / Bekanntmachung bereits durch die Zugänglichmachung
der Urkunden / Informationen im Register erfolgt. Gesonderte Bekanntmachungen sind damit
abgeschafft, wenn auch die Begrifflichkeit weiter verwendet wird.
MERKE: Die Bekanntmachung im Handelsregister wird nach § 10 Absatz 1 HGB durch die
erstmalige Abrufbarkeit der Eintragung im Handelsregister bewirkt. Demnach ist diese
erstmalige Abrufbarkeit auch für die Publizitätswirkung des § 15 HGB maßgeblich.
Negative Publizität, § 15 Absatz 1 HGB
Mit der Aussage, dass gutgläubige Dritte („es sei denn, dass sie diesem bekannt war“)
geschützt sind, solange eine eintragungspflichtige Tatsche nicht eingetragen (und damit auch
bekanntgemacht) war, schützt diese Vorschrift die sog. negative Publizität.
Bemerkenswert ist hieran, dass auch die gesetzliche Systematik unserer sozialen
Konditionierung folgt: In der Gesellschaft erregen negative Nachrichten oder Informationen
größere Aufmerksamkeit als positive. In den Medien werden negative Ereignisse (wie Unfälle,
Katastrophen oder Kriminalität) oft prominenter behandelt, was unseren Fokus auf Negatives
verstärken kann. Diesem psychologischem Mechanismus wird offenkundig auch das
Handelsgesetzbuch gerecht, indem der Fall zuerst geregelt wird, dass eine maßgebliche
Tatsache im maßgeblichen Zeitpunkt in pflichtwidrig (um nicht zu sagen skandalös) noch
nicht eingetragen war. Der negative Fall der Pflichtverletzung bzw. des worst case steht also
voran. Wir bleiben trotzdem optimistisch und gehen systematisch vor, indem wir uns vor dem
zweiten und dritten Absatz (mit den Regelungsfällen der positiven Publizität) dem Ersten
widmen.
Der Anwendungsbereich von § 15 Absatz 1 HGB ist lediglich für „einzutragende Tatsachen“
eröffnet.
Es muss sich um eine sog. EINTRAGUNGSPFLICHTIGE TATSACHE handeln.
Wann liegt eine eintragungspflichtige Tatsache vor?
Es muss sich um einen Sachverhalt handeln, der im Zeitpunkt des Vorgangs wahr gewesen ist
(„Tatsache“).
Diese Tatsache muss eintragungspflichtig sein. Beispiele hierfür sind die Eintragungspflicht
eines Kaufmanns (§ 1 II HGB) oder die Anmeldung einer OHG nach § 106 HGB.
Hiervon abzugrenzen sind Tatsachen, die entweder bloß eintragungsfähig (wie die Eintragung
eines Kannkaufmanns, § 2 HGB oder Haftungsbeschränkungen nach § 25 II HGB – hierzu
noch ausführlicher im Themenkreis der Firmierung) oder gar nicht eintragungsfähig sind (z.B.
der Güterstand des Kaufmanns oder eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB).
§ 15 Absatz 1 HGB setzt mit seiner negativen Formulierung voraus, dass die Tatsache nicht
eingetragen / bekanntgemacht wurde. Aus welchem Grund die Eintragung / Bekanntmachung
unterblieb ist insoweit irrelevant. Die Norm greift daher auch dann ein, wenn den
Anmeldepflichtigen kein zurechenbares Verschulden trifft. In einem solchen Fall kommen
Schadensersatzansprüche (sog. Amtshaftung) gegen des Bundesland in Betracht, dessen
Registergericht die Anmeldung schuldhaft falsch oder überhaupt nicht bearbeitete.
Keine positive Kenntnis des Dritten
Darüber hinaus entfaltet die Norm nur Wirkung zu Gunsten gutgläubiger Dritter. Unter
„Dritten“ in diesem Sinne ist jeder Außenstehende zu verstehen, der an der
eintragungspflichtigen Tatsache nicht beteiligt ist. Gutgläubig ist der Dritte, wenn er die
einzutragende Tatsache nicht kennt. Insoweit schadet nur die positive Kenntnis, nicht aber
grob fahrlässige Unkenntnis (d.h. auch derjenige genießt den Schutz, der trotz offensichtlicher
Anhaltspunkte keine weiteren Informationen einholt bzw. Nachforschungen anstellt).
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, darf sich der Rechtsverkehr auf das Schweigen des
Handelsregisters verlassen. Da § 15 Absatz 1 HGB dem Schutz des Dritten dient, hat dieser
ein WAHLRECHT: Er kann sich auf die fingierte Rechtslage berufen (also das
Nichtvorliegen der Tatsache) oder – wenn ihm dies günstiger erscheint – auch auf die wahre
Rechtslage, die nicht im Handelsregister eingetragen ist. Dies sogar auch teilweise zu jeder
einzelnen einzutragenden Tatsache (sog. Rosinentheorie).
Die Anwendung von § 15 Absatz 1 HGB setzt auch nicht voraus, dass der Dritte tatsächlich
Einblick in das Handelsregister genommen hat – es handelt sich demnach um einen abstrakten
Vertrauensschutz. Jedoch wird vorausgesetzt, dass zumindest die Möglichkeit bestand, dass
der Dritte sein Handeln auf die Registereintragung einrichtete und eventuell anders gehandelt
hätte. Diese Möglichkeit besteht nur, wenn der rechtsbegründende Vorgang im inneren
Zusammenhang mit dem Rechtsverkehr steht – damit sind alle rechtlich erheblichen
Beziehungen gemeint, die ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes mit Dritten
aufnimmt; nicht jedoch der sog. Unrechtsverkehr ohne Zusammenhang mit dem
Geschäftsbetrieb (das schulmäßige Beispiel ist der Verkehrsunfall unter Beteiligung eines
nicht eingetragenen Prokuristen).
Das Prüfungsschema für § 15 Absatz 1 HGB sieht wie folgt aus:
1. Eintragungspflichtige Tatsache
2. Keine Eintragung und / oder Bekanntmachung
3. Keine positive Kenntnis des Dritten (Gutgläubigkeit)
4. Vorgang im Geschäftsverkehr (Möglichkeit abstrakten Vertrauens)
Positive Publizität bezüglich richtiger Tatsachen, § 15 Absatz 2 HGB
Diese Vorschrift besagt: Wenn eine Tatsache richtig eingetragen und bekannt gemacht wird,
muss sie ein Dritter gegen sich gelten lassen. Dies gilt dann nicht, wenn noch keine 15 Tage
seit der Bekanntmachung verstrichen sind und der Dritte nachweist, dass er die Tatsache
weder positiv kannte noch kennen musste.
Diese Vorschrift dient grundsätzlich dem Schutz des Eintragungspflichtigen, der seiner
Publikationspflicht ordnungsemäß nachkommt.
Gleichzeitig sieht sie eine Schonfrist vor. Innerhalb dieser ist ein gutgläubiger Dritter in
seinem guten Glauben an das Nichtbestehen der Tatsache geschützt. Anders als in Absatz 1
der Vorschrift, muss in diesem Fall vom Dritten positiv bewiesen werden, dass er gutgläubig
war. Seine Gutgläubigkeit wird hier auch nicht nur durch positive Kenntnis, sondern ebenfalls
durch grob fahrlässige Unkenntnis zerstört.
Die Norm findet auch gegenüber Nichtkaufleuten Anwendung. Bei Kaufleuten gelten
insoweit jedoch besonders strenge Haftungsmaßstäbe, denn den Kaufmann trifft eine
Informationsobliegenheit. Bei ihm ist grobe Fahrlässigkeit schon dann gegeben, wenn er
sich nicht über Eintragungen im Handelsregister informiert, was durch den kostenfreien
Onlinezugriff keine hohe Hürde darstellt.
ACHTUNG: HINWEISPFLICHT IN LAUFENDEN GESCHÄFTSBEZIEHUNGEN
Gleichzeitig gibt auch diesbezüglich wiederum Ausnahmen, denn in einer langandauernden
Geschäftsbeziehung wird u.U. auch von einer Informationspflicht gegenüber den
Geschäftspartnern ausgegangen. Dies insbesondere dann, wenn dieser mangels Hinweise
vom Fortbestand der bisherigen Ausgangslage ausgegangen ist.
Aus dem Wortlaut von Absatz 2 mit seinem Bezug auf Absatz 1 („Ist die Tatsache …“) wird
gefolgert, dass es sich auch in diesem Fall um eine eintragungspflichtige Tatsache handeln
muss. Gestützt wird diese Rechtsauslegung außerdem durch die Tatsache, dass für bloß
eintragungsfähige Tatsachen Sonderregeln bestehten (wie bspw. in § 25 II und § 28 II HGB).
Da § 15 Absatz 2 HGB lediglich dazu dient, die wahre Rechtslage öffentlich zu machen, muss
es sich um eine wahre Tatsache handeln. Diese muss außerdem richtig bekannt gemacht
worden sein.
Sind folgende Voraussetzungen gegeben
1. Eintragungspflichtige Tatsache
2. Korrekte Eintragung /Bekanntmachung
3. Nichteingreifen von § 15 Absatz 2 Satz 2 HGB
4. Vorgang im Geschäftsverkehr (Möglichkeit abstrakten Vertrauens)
muss sich der Dritte die eingetragene und bekannt gemachte Tatsache entgegen halten lassen.
Keine Rolle spielt, ob es sich bei ihm um einen Kaufmann handelt.
Positive Publizität bezüglich unrichtiger Tatsachen, § 15 Absatz 3 HGB
Diese Regelung wurde im August 2022 geändert. Nach der Neuregelung kann sich einer
Dritter gegenüber demjenigen, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, auf
eine unrichtig eingetragene und bekannt gemachte Tatsache berufen, sofern ihm die
Unrichtigkeit nicht bekannt war.
Die Anwendung von § 15 III HGB hat folgende Voraussetzung
1. Eintragungspflichtige Tatsache
2. Unrichtige Eintragung und Bekanntmachung
3. Keine positive Kenntnis des Dritten von der Unrichtigkeit der Tatsache
4. Vorgang im Geschäftsverkehr
Rein akademisch hat noch ein Hinweis zu erfolgen, da in Rechtsprechung und Literatur ein
Streit darüber besteht, ob noch eine weitere Voraussetzung gegeben sein muss: Nach der
aktuell noch herrschenden Meinung wirkt § 15 Absatz 3 HGB nur dann zu Lasten des
Betroffenen, wenn dieser die unrichtige Eintragung / Bekanntmachung veranlasst hat. Dies ist
nicht richtig, denn diese einschränkende Ansicht widerspricht dem Wortlaut und dem
eigentlich bezweckten Vertrauensschutz. Sollte die unrichtige Eintragung wiederum vom
Registergericht veranlasst sein, hätte dieser einen Schadensersatzanspruch wegen einer
Amtspflichtverletzung.
Funktionell wird das Handelsregister übrigens von Rechtspflegern geführt. Dies sind Beamte
des gehobenen Jusitzdienstes.
Greifen die oben dargestellen Rechtsgrundsätze allesamt nicht ein, ist noch denkbar, dass
eine Fallkonstellation der allg. Rechtsscheinhaftung vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn
ein Kaufmann einen Rechtsschein zurechenbar erzeugt hat (z.B. indem er bewusst eine
unrichtige Eintragung veranlasst) und ein Dritte gutgläubig und im Vertrauen auf den
Rechtsschein eine Handlung vorgenommen hat.
Sämtliche obigen Ausführungen betrafen die Publizitätsfunktion des Handelsregisters. Über
diese Funktion hinaus hat das Handelsregister noch zwei weitere wichtigen Aufgaben:
II. BEWEISFUNKTION
Abschriften aus dem Handelsregister können die Beweisführung über bestimmte Tatsachen
erleichertern. Dies ist nicht nur aktuell sondern gar chronologisch möglich.
III. KONTROLLFUNKTION
Schließlich kommt dem Handelsregister auch die Funktion der Kontrolle zu, denn eine
Eintragung in das Register erfolgt erst nach einer Prüfung durch das Handelsregister. Man
spricht in diesem Zusammenhang auch von dem Registergericht als eine Art
Rechtsaufsichtsbehörde. Insbesondere bei der Gründung von juristischen Personen wie der
GmbH wird die Einhaltung der Gründungsvoraussetzungen überprüft.
B. UNTERNEHMENSREGISTER
Neben dem Handelsregister wurde 2007 noch das Unternehmensregister eingeführt, § 8b
HGB. Dieses beinhaltet die in der Norm aufgeführten Dokumente. Es handelt sich um ein
Sammelreigster, welches Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenführt. Das
Unternehmensregister hat nicht die oben genannten Funktionen. Insbesondere findet § 15
HGB keine Anwendung auf dieses Register, weshalb insoweit keine Gewähr für die
Richtigkeit der Information besteht.