Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 II 1 InsO dient nicht nur als Anknüpfungspunkt für die Insolvenzantragspflicht, sondern auch als Anknüfungspunkt für den Haftungstatbestand des § 64 GmbHG. Nach diesem haftet ein GmbH Geschäftsführer für alle Zahlungen, die er nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit tätigt und die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Was genau bei der wichtigen Bestimmung dieses Zeitpunktes zu beachten ist, hat der BGH in einer kürzlich ergangenen Entscheidung herausgearbeitet. Leitsätze:
1. Die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit anhand einer Liquiditätsbilanz ist entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet.
2. Die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit kann dadurch widerlegt werden, indem etwa konkret vorgetragen und ggf. bewiesen wird, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für die Schuldnerin eine Deckungslücke von weniger als 10% ausgewiesen hat.
BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – II ZR 54/12
Die Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit wirft vor allem im Nachhinein erhebliche Schwierigkeiten auf. So ist es nicht verwunderlich, dass der Insolvenzantrag in Deutschland im Schnitt 8 Monate zu spät gestellt wird. Obwohl es auch seitens der Gerichte Schwierigkeiten gibt den genauen Zeitpunkt zu fixieren, sollte dies nicht dazu einladen auch nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit das Geld noch mit offenen Händen auszugeben. Dies könnte sich aufgrund der Haftung nach § 64 GmbHG als schwerwiegendes persönliches Haftungsrisiko erweisen.
Mit den Schwierigkeiten der genauen Zeitpunktbestimmung vor Augen hat der Gesetzgeber in § 17 II 2 InsO eine Vermutungsregel verankert, welche besagt, dass eine Zahlungsunfähigkeit immer dann zu vermuten ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Es muss sich hierbei der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner seine fälligen und eingeforderten Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Dies kann bereits bei einer einzigen nichtbezahten Forderung der Fall sein, wenn diese eine nicht unbeträchtliche Höhe ausweist. Das gilt sogar dann, wenn zwar noch erhebliche Zahlungen vorliegen, diese aber nicht den wesentlichen Teil der Schulden ausmachen. Haben zu dem fraglichen Zeitpunkt allerdings fällige Verbindlichkeiten bestanden, die der Schuldner auch bis zu der Verfahrenseröffnung nicht beglichen hat, so ist regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen.
Entspricht das Zahlungsverhalten des Schuldners der Vermutungsregel, ist es auch nicht mehr von Nöten, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch zusätzlich durch die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz untermauert wird.
Einen Ausweg lässt die ständige Rechtsprechung des BGH allerdings doch zu: Die Vermutung der Zahlungsunfähigkeiten kann dann widerlegt werden, wenn der Schuldner nachweist, dass die Liquiditätslücke weniger als 10% der Gesamtverbindlichkeiten betragen hat und innerhalb von drei Wochen geschlossen wurde.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.