Nach einer aktuellen Berechnung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform steht zu befürchten, dass in diesem Jahr 38.000 bis 40.000 Unternehmen aus Deutschland Insolvenz anmelden müssen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich bei strauchelnden GmbH’s nicht um Einzelfälle handelt. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema „Krise/Insolvenz“ ist für die Vielzahl von betroffenen Gesellschaften unvermeidbar.
Hierbei ist es für jeden Geschäftsführer, dessen Unternehmen sich in einer Krise befindet, unbedingt notwendig, genau über seine Haftungsrisiken Bescheid zu wissen und Wege zu kennen, durch richtige Geschäftsführung der GmbH die persönliche zivil- und strafrechtliche Haftung zu vermeiden. Insoweit zeigt dieser Artikel Risiken auf und gibt Handlungsanweisungen, diese Risiken zu vermeiden.
Haftungsrisiken in der Insolvenz
Durch das am 01.11.2008 in Kraft getretene MoMiG ergeben sich für Geschäftsführer neue Anforderungen und Verantwortlichkeiten in der Krise. Einige wichtige Aufgaben werden hier vorgestellt:
Information der Gesellschafter, § 49 GmbHG
Der Geschäftsführer hat nach § 49 Absatz 2 GmbHG eine Gesellschafterversammlung dann einzuberufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn entweder allgemein Maßnahmen angezeigt sind, die von ihrer Bedeutung her von der Gesellschafterversammlung beschlossen werden sollten oder besondere Entwicklungen oder Risiken eine Versammlung als notwendig erscheinen lassen. Der Umstand, dass sich eine GmbH in einer Krise befindet, fällt sicherlich hierunter.
Darüber hinaus regelt § 49 Absatz 3 GmbHG einen Sonderfall der Einberufungspflicht:
Der Geschäftsführer hat eine Gesellschafterversammlung dann einzuberufen, wenn die Hälfte des satzungsmäßigen Stammkapitals verloren ist.
Durch diese rechtliche Verpflichtung wollte der Gesetzgeber eine Art Frühwarnsystem installieren, welches es den Gesellschaftern ermöglichen soll, die weiteren notwendigen Schritte einzuleiten. Verletzt der Geschäftsführer diese Pflicht, haftet er der Gesellschaft auf Schadenersatz.
Der Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft hat eine Gesellschafterversammlung schon dann einzuberufen, wenn Zahlungsunfähigkeit droht.
Insolvenzantragspflicht
Ist die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet, hat der Geschäftsführer spätestens (!) innerhalb von drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist der Geschäftsführer noch nicht verpflichtet, einen Antrag zu stellen, er kann dies aber tun.
Der Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft ist jedoch schon bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen.
Zu beachten hat der Geschäftsführer bezüglich seiner Insolvenzantragspflicht, dass er dieser auch dann nicht wirksam nachkommt und bestraft werden kann, wenn er den Antrag „nicht richtig“ stellt (§ 15a Absatz 5 Insolvenzordnung). Zur richtigen Antragsstellung hat der Geschäftsführer gewisse Formalitäten einzuhalten, insbesondere muss der Antrag schriftlich eingereicht werden. Darüber hinaus hat der Antrag die Gesellschaft samt Adresse korrekt zu bezeichnen und es müssen die wesentlichen Tatsachen des Eröffnungsgrundes dargelegt werden.
Verletzt der Geschäftsführer seine Pflicht, droht ihm nicht nur eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe, sondern er haftet auch persönlich gegenüber der Gesellschaft und auch deren Gläubigern.
Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen
Nach § 266a Strafgesetzbuch wird mit Freiheitsstrafe bis 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Arbeitgeber Beiträge des Arbeitsnehmers zur Sozialversicherung gegenüber der Einzugsstelle vorenthält. Der Geschäftsführer haftet gegenüber den Sozialversicherungsträgern für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile. Dieser Tatbestand kann sogar dann erfüllt werden, wenn kein Arbeitslohn ausgezahlt wird. Es genügt mithin die bloße Beschäftigung des Arbeitnehmers.
Selbst bei einer aus mehreren Geschäftsführern bestehende Geschäftsleitung trifft diese Verantwortung nicht alleine denjenigen Geschäftsführer, der ressortmäßig hierfür zuständig ist, sondern nach dem sog. Grundsatz der Gesamtverantwortung haben sich auch die übrigen Geschäftsführer im Rahmen ihrer Überwachungspflicht die Abführung der Sozialabgaben nachzuprüfen.
Nach der strafrechtlichen Rechtsprechung sind Sozialversicherungsträger grundsätzlich vorrangig zu behandeln. Dieses Risiko der Strafbarkeit widerspricht eigentlich der aus § 64 Satz 2 GmbHG folgenden Verpflichtung zur Massesicherung. Soweit der Geschäftsführer tatsächlich vorrangig Arbeitnehmerentgelte abführt, dürfte er allerdings in Rahmen der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, § 64 Satz 2 GmbHG. Hat der Geschäftsführer Bedenken, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit die liquiden Mittel zur Zahlung nicht mehr ausreichen, hat er Rücklagen zu bilden.
Eine Strafbarkeit entfällt erst dann, wenn die Gesellschaft nicht mehr zahlungsfähig ist. Nach der Insolvenzreife ist die Pflicht zur Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 15a Insolvenzordnung suspendiert. Wird innerhalb dieser Drei-Wochen-Frist wiederum kein Insolvenzantrag gestellt, macht sich der Geschäftsführer nach Ablauf dieses Zeitraums wiederum strafbar, wenn er keine Arbeitnehmerbeiträge abführt. Dies wurde zuletzt durch ein BGH-Urteil vom 8.6.2009 (Az: II ZR 147/08) entschieden.
Hieraus folgt:
- Solange noch kein Insolvenzgrund vorliegt hat der Geschäftsführer eine Pflicht zur vorrangigen Abführung der Arbeitnehmeranteile.
- Innerhalb der Drei-Wochen-Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags, also bei Insolvenzreife der Gesellschaft, muss der Geschäftsführer keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abführen.
- Wenn der Geschäftsführer trotz Insolvenzreife nicht fristgemäß einen Insolvenzantrag stellt, haftet er wiederum persönlich für die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge. Der Geschäftsführer darf diese Zahlungen auch anderen vorziehen, ohne sich nach § 64 GmbHG haftbar zu machen.
Abführung von Lohnsteuer
Der Geschäftsführer haftet nach §§ 34, 69 AO für nichtabgeführte Lohnsteuer. Sollten die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um die Löhne samt Lohnsteuer auszuzahlen, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig gebliebenen Mitteln die auf die gekürzten Nettolöhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt auszahlen.
Diesbezüglich hat nunmehr der BGH auch entschieden, dass „allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsführer nicht von der Haftung wegen Nichtabführung der einbehaltenen Lohnsteuer befreit. Sind im Zeitpunkt der Lohnsteuer-Fälligkeit noch liquide Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer vorhanden, besteht die Verpflichtung des Geschäftsführers zu deren Abführung so lange, bis ihm durch Bestellung eines Insolvenzverwalters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wurde. Die Haftung ist auch nicht innerhalb der dreiwöchigen Schonfrist ausgeschlossen.“ (vgl. zu diesem Urteil den eigenen Beitrag in diesem Blog vom 15. Oktober 2008)
Verletzung des Stammkapitalerhaltungsgebotes
§ 43 Abs. 3 GmbHG beinhaltet verschiedene Tatbestände, die dem Schutz des Stammkapitals im Interesse der Gläubiger dienen sollen. Hiernach sind Zahlungen, die entgegen § 30 GmbHG an einen Gesellschafter geleistet werden, sowie der Erwerb eigener Geschäftsanteile entgegen § 33 GmbHG pflichtwidrig, und lösen eine persönliche Haftung des Geschäftführers aus. Dieser haftet in diesen Fällen gesamtschuldnerisch mit den Empfängern auf die volle Höhe der durch die Pflichtverletzung entstandenen Unterdeckung.
Nach § 30 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Diese Norm ist die zentrale Gläubigerschutzbestimmung zur Erhaltung des Stammkapitals und erlaubt nur solche Zahlungen an die Gesellschaft, die denjenigen Teil des Reinvermögens betreffen, der das Stammkapital übersteigt. Verboten sind Zahlungen immer dann, wenn eine Unterbilanz bereits besteht oder durch die Auszahlung bestehen würde. Dies gilt dann nicht, wenn die Zahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch gedeckt ist.
Tipp: Ein Geschäftsführer sollte vor der Genehmigung von Auszahlungen an Gesellschafter, die zu einer Unterbilanz führen, dessen Bonität prüfen und Sicherheiten verlangen.
§ 33 GmbHG reglementiert den Erwerb von Geschäftsanteilen und verbietet in Absatz 1 den Erwerb nicht voll eingezahlter Geschäftsanteile.
Haftung aus § 64 GmbHG
§ 64 Satz 1 GmbHG: Zahlungsverbot nach Insolvenzreife
Die Vorschrift des § 64 Satz 1 GmbHG verbietet Geschäftsführern ab Insolvenzreife jegliche Zahlungen. Erfasst werden von dieser Vorschrift sämtliche Schmälerungen der Insolvenzmasse durch Leistungen der Geschäftsführung aus dem Gesellschaftsvermögen. Hiermit soll die Befriedigung einzelner Gläubiger verhindert werden um die Masse für die Befriedigung aller Gläubiger – soweit vorhanden – zu erhalten. Wenn der Geschäftsführer dennoch Zahlungen an einzelne Gläubiger leistet führt er der Gläubigergemeinschaft einen Schaden zu. Diese macht ihren Schaden durch den Insolvenzverwalter gegenüber dem Geschäftsführer geltend.
Nach § 64 Satz 2 GmbHG sind hiervon solche Zahlungen ausgenommen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Insoweit wird diskutiert, ob gerade solche Zahlungen, die einen Leistungsaustausch fortführen und damit die Gesellschaft am Leben halten, erlaubt sind, denn immerhin ist die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs meist im Gläubigerinteresse weil es die Befriedigungsaussichten verbessert.
§ 64 Satz 3 GmbHG: Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen an Gesellschafter wenn diese zur Zahlungsunfähigkeit führen
Die neu durch das MoMiG eingeführte Regelung soll die Gesellschaftsgläubiger vor Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern schützen. Es wird insoweit auch von einem Ausplünderungsschutz gesprochen. Voraussetzung für den Ersatzanspruch ist mindestens die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft. Soweit der Geschäftsführer nicht erkennen konnte, dass eine Zahlung zur Insolvenzreife führt, muss er keinen Ersatz leisten. Hierfür trägt allerdings der Geschäftsführer die Beweislast.
Praxistipp: Ein Geschäftsführer sollte in Zeiten der Krise Zahlungen an die Gesellschafter, und die Beweggründe für diese Zahlungen, dokumentieren.
Persönliche Garantiezusagen des Geschäftsführers
Noch ein abschließender Hinweis:
Ein Geschäftsführer darf sich gegenüber Gläubigern, die keine Geschäfte mehr mit der GmbH abschließen möchten, nie auf sich selbst als vertrauensvolle Person berufen!
Ein solches Verhalten hat die persönliche Haftung des Geschäftsführers für die Ansprüche des Gläubigers zur Folge, wenn dieser dadurch zum Vertragsschluss motiviert wird, dass der Geschäftsführer in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Wer selbst gegenüber Vertragspartnern erklärt, er werde für die Verbindlichkeiten einstehen, kann den Gläubiger später nicht auf eine nicht zahlungsfähige GmbH verweisen.
Jan Köster
Die kanzleiköster ist eine auf das Gesellschaftsrecht spezialisierte Boutique-Kanzlei in Münchens Museums- und Universitätsviertel Maxvorstadt.