Eine Krisensituation verlangt dem Geschäftsführer einer Gesellschaft alles ab. Nicht nur muss er Wege aus der Krise suchen, sondern zugleich die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Gesellschaft genauestens unter die Lupe nehmen. Unterlässt er dies und tritt die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit unbemerkt ein und tätigt der Geschäftsführer weiter Zahlungen, droht ein erhebliches Haftungspotenzial. Welche Anforderungen an die Überwachung durch den Geschäftsführer zu stellen sind, wurde von dem Bundesgerichtshof in einer kürzlich ergangenen Entscheidung weiter präzisiert.
Hierzu wurde folgender Leitsatz veröffentlicht:
Der Geschäftsführer einer GmbH muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (Bestätigung von BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94).
BGH, Urteil vom 19.6.2012 – II ZR 243/11
§ 64 GmbHG bestimmt, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft für Zahlungen haften muss, welche er nach dem Eintritt der Zahlungsfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung getätigt hat. Trotz des irreführenden Gesetzeswortlauts, kommt es nicht auf die Feststellung des Geschäftsführers an. Allerdings muss den Geschäftsführer hinsichtlich des Nichterkennens der Insolvenzreife ein Verschulden treffen, wobei einfache Fahrlässigkeit als ausreichend anzusehen ist. Hierbei sind nicht die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisstände der jeweiligen Geschäftsführer ausschlaggebend. Es ist vielmehr auf die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns abzustellen. An dieser Stelle trifft den Geschäftsführer eine Vermutungsregel, welche sowohl die fehlende Sorgfalt als auch die Erkennbarkeit der Insolvenzreife unterstellt.
Von dem Geschäftsführer einer Gesellschaft wird einerseits erwartet, dass er die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft durchgehend beobachtet, und, dass bei Anzeichen einer sich anbahnenden Krise die reine Beobachtung einer näheren Überprüfung weichen muss. Hierfür muss er sich mittels einer Aufstellung eines Vermögensstatus eine Übersicht über den Vermögensgegenstand verschaffen. Eine Fahrlässigkeit ist dann zu bejahen, wenn der Geschäftsführer sich nicht rechtzeitig die für die Prüfung relevanten Informationen und Kenntnisse beschafft, wobei er auch fachkundige Dritte einbeziehen muss, sobald seine eigenen Kenntnisse hierfür nicht ausreichen.
Will sich der Geschäftsführer von der ihn treffenden Vermutungsregel entlasten, muss er Gründe vortragen und erläutern, warum es ihm nicht möglich war die Insolvenzreife zu erkennen. Dies dürfte den Geschäftsführer einer GmbH in einigen Fällen allerdings vor große Probleme stellen, da dieser eine Organisationsstruktur zu schaffen hat, welche ihm stets eine Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft ermöglicht.
Fazit: Auch wenn der Geschäftsführer in einer Krisensituation an allen Fronten gefordert ist, sollte er tunlichst vermeiden, die potentielle Insolvenzreife der Gesellschaft aus den Augen zu verlieren. Andernfalls können sich erhebliche persönliche Haftungspotentiale ergeben.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.