Arbeitnehmerüberlassung, Freelancer, Werkverträge, Scheinselbstständig – diese Begrifflichkeiten, wie auch verschiedenste Abwandlungen, sind längst in der Wirtschaftswirklichkeit in Deutschland fest verankert und aus dem tagtäglichen Wirtschaften nicht mehr wegzudenken. Nun wurden diese Institute teilweise weitgehend gesetzlich durch die Neufassung des AÜG und des § 611a BGB neu geregelt.
Hier erfahren Sie, was sich geändert hat:
Teilweise eklatanter Missbrauch, oft jedoch auch das Bedürfnis die Kernwählerschaft zu beruhigen, bringen das Thema immer wieder auf das politische Parkett. Auch die derzeitige große Koalition macht da keine Ausnahme. Unter Federführung der SPD wurde eine Novellierung in dem Koalitionsvertrag aufgenommen und durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgearbeitet.
Zwei große Themenbereiche sollten neu geregelt werden:
- Eine Definition der Scheinselbstständigkeit durch den neu eingeführten § 611a BGB
- Die Arbeitnehmerüberlassung
Zunächst weitgehende Reformbemühungen wurden im Laufe der Verhandlungen allerdings teilweise im Lauf der Verhandlungen wieder aufgeweicht.
Was ändert sich bei der Scheinselbstständigkeit:
Der Themenkomplex Scheinselbstständigkeit tangiert viele Rechtsbereiche und damit auch institutionell verschiedene Gerichte (eine Übersicht über die verschiedenen Bereiche finden Sie in diesem Artikel). Bislang fehlte jegliche gesetzliche Grundlage zur Verortung einer Arbeitskraft im Spannungsfeld Arbeitnehmer – unabhängiger Freelancer. Es hat sich allerdings durch rechtstheoretische Forschung und Rechtsprechung ein gewisser Kriterienkatalog herausgebildet, um diese Einordnung vorhersehbarer und rechtssicherer zu gestalten.
Problematisch hierbei war allerdings, dass sich die Gerichte verschiedener Rechtszüge teilweise hinsichtlich der einzelnen Kriterien und vor allem deren Gewichtung uneins waren. Der neu geschaffene § 611a BGB sollte dieser Unklarheit und Unsicherheit entgegentreten und die Frage nach der Scheinselbstständigkeit auf rechtssicheren Boden stellen.
Blickt man auf den Gang der Gesetzgebung, sieht man, dass der Gesetzeswortlaut des § 611a BGB im Laufe der Verhandlungen deutlich aufgeweicht wurde. Ursprünglich war noch eine detaillierte Auflistung der verschiedenen Kriterienvorgesehen . Übrig geblieben ist lediglich eine Version, welche den Leitsätzen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entspricht.
§ 611a
Arbeitsvertrag
(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Es wird hier positiv definiert wann ein Arbeitsvertrag vorliegt und damit implizit die Scheinselbstständigkeit mitgeregelt, wobei die Kriterien nach wie vor dieselben sind. Es bleibt nach dem Gesetzeswortlaut in Absatz 1 auch dabei, dass es nicht auf den Wortlaut des Vertrages ankommt, sondern darauf, wie der Vertrag tatsächlich gelebt wird. Eine Anpassung der bereits bestehenden Verträge kann auch nur insoweit eine Wirkung entfalten, als die geregelten Umstände auch in der tatsächlichen Tätigkeit ihren Niederschlag finden.
Ändern wird sich an dieser Front also erst einmal nichts. Vielmehr werden die bisherigen Kriterien nun sogar noch weiter rechtlich abgesichert. Auch eine höchstrichterliche Rechtsprechung kann sich ändern – um einen eindeutigen Wortlaut mit entsprechender Gesetzesbegründung kommt auch ein noch so renitenter Senat nicht so einfach vorbei.
Was ändert sich hinsichtlich der Arbeitnehmerüberlassung?
Während sich die erste Änderung – trotz anfänglicher Hysterie in der Literatur – als reine Klarstellung erwiesen hat, sind die Änderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung durchaus tiefgreifend und ergeben sich hier tatsächlich Risiken.
Auch unter dem Begriff der Leiharbeit virulent, wird bei der Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)ein Arbeitnehmer durch ein Verleihunternehmen an einen Entleiher verlieren, welcher bspw. für ein bestimmtes Projekt einen flexiblen Arbeitnehmerbedarf hat. Anders als der selbstständige Freelancer wird der Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers für die Zeit des Projekts eingegliedert. Auch Arbeitsmarktpolitisch ist die Leiharbeit ein wichtiges Instrument, da hier u.a. auch Langzeitarbeitslose relativ risikolos wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Die Verleihfirma braucht für die Verleihtätigkeit als Regulierungsinstrument eine Verleiherlaubnis, welche bei der Erfüllung verschiedener Anforderungen erteilt wird. Doch genug Theorie – tauchen wir in die Änderungen ein:
1. Maximal Entleihdauer nach dem neuen AÜG und equal pay
Der Begründung des Referentenentwurfs ließ sich bereits entnehmen, dass der teilweise eklatante Missbrauch hinsichtlich der Verleihdauer nunmehr eingedämmt werden soll. Die Entleihdauer wurde dementsprechend durch das neu gefasste AÜG nun streng auf 18 Monate gedeckelt. Wird diese Grenze nicht eingehalten, drohen nicht nur Geldbußen. Das Arbeitsverhältnis kann auf das Entleihunternehmen mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wie bspw. Kündigungsschutz, übergehen. Zudem drohen hier Geldbußen bis EUR 30.000,00.
Eine Ausnahme ergibt sich allerdings bei einer entsprechenden tarifvertraglichen Öffnung bzw. einer zwischenzeitlichen, mindestens drei Monate anhaltenden Unterbrechung. Zudem muss nach neun Monaten das Gehalt der Leiharbeitnehmer an das Lohnniveau der Stammbelegschaft angepasst werden. Auch wenn dies nicht eingehalten wird, drohen hier Geldbußen bis EUR 30.000,00.
2. Keine Fallschirmlösung mehr bei der Arbeitnehmerüberlassung
Manchmal ist die Abgrenzung, ob Arbeitnehmerüberlassung vorliegt oder nicht, relativ schwierig. Da eine Arbeitnehmerüberlassung jedoch nur nach Erteilung der entsprechenden Erlaubnis durchgeführt werden darf, entwickelte sich ein System, um auch bei der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung abgesichert zu sein. Es wurde rein präventiv eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beantragt. Stellte sich im Nachhinein heraus, dass tatsächlich eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung gegeben ist, konnte sich der Verleiher immer noch auf die ja vorliegende Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung berufen.
Dies ist nun nicht mehr möglich. Eine Arbeitnehmerüberlassung muss als solche definitiv offengelegt werden und der jeweilige Arbeitnehmer auch klar benannt werden. Findet dies nicht statt, so drohen Geldbußen und resultiert hieraus ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleihunternehmen. Genau das was gerade vermieden werden soll.
Der Leiharbeitnehmer kann dem allerdings durch eine sogenannte Festhaltenserklärung entgegenwirken und erklären, dass er lieber im Vertragsverhältnis mit dem Verleihunternehmen verbleiben möchte. Dies kann zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn sich im Verhältnis zum Verleihunternehmen arbeitsrechtliche Vorteile ergeben oder wenn die Arbeitnehmerüberlassung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfolgt und der Leiharbeitnehmer das Verleihunternehmen als den solventeren Schuldner ansieht. Die Festhaltenserklärung hat innerhalb eines Monats ab Überlassung zu erfolgen. Ein Umstand der in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen dürfte, da bei einer verdeckten Überlassung der Leiharbeitnehmer nichts von dem Vorliegen einer Überlassung weiß.
3. Leiharbeitnehmer als Streikbrecher
Das Streikrecht ist das schärfste Schwert des Arbeitnehmers im Arbeitskampf. Nicht nur drohen hohe Einbußen für das bestreikte Unternehmen, ein Streik ist in aller Regel auch sehr öffentlichkeitswirksam. In unzähligen Entscheidungen hat sich das Bundesarbeitsgericht mit den verschiedensten Facetten dieser Thematik auseinandergesetzt. Auch wenn hier sehr viel nach wie vor umstritten ist, das grundsätzliche Recht an einem gewerkschaftlichen Streik teilzunehmen wurde nie abgesprochen.
Entsprechend der Bedeutung eines Streiks, darf dieses Instrument nicht durch eine Söldnerarmee egalisiert werden, welche das primäre Druckelement eines jeden Streiks verwässert. Dementsprechend setzt die Gesetzesänderung eine empfindliche Geldbuße bis EUR 500.000,00 für den Fall vor, dass ein Arbeitgeber versuchen sollte, die streikenden Arbeitnehmer für die Zeit des Arbeitskampfes durch Leiharbeitnehmer als Streikbrecher zu ersetzen.
Fazit:
Die Gesetzesänderung wirft unzählige Fragestellungen und potenziell immense rechtlichen Risiken für Zeitarbeitsfirmen, Entleihfirmen aber auch für Freelancer auf, welche in einem Artikel natürlich nicht umfassend beantwortet werden können. Die Kanzlei Köster berät zu diesen Themenkreisen und hilft bei einer entsprechenden Vertragsgestaltung. Zudem kann geprüft werden, ob eine GmbH Gründung das Thema Scheinselbstständigkeit umschiffen kann. Vereinbaren Sie gerne einen Termin.
Benno von Braunbehrens
Nach seinem Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität mit Schwerpunkt Kapitalgesellschaftsrecht absolvierte er sein Referendariat an dem Oberlandesgericht München. Seine Ausbildung führte ihn u.a. zu einem Venture Capital Fond in Kopenhagen, wie einer großen Wirtschaftskanzlei in New York.