Das Einsichtsrecht von Gläubigern in die Bücher einer GmbH in Liquidation: Entscheidungsanalyse des OLG Bamberg
Einsichtsrecht für Gläubiger bei liquidierten GmbHs: Ein Überblick
Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat in seiner Entscheidung vom 6. November 2024 (Az. 10 Wx 20/24) klargestellt, dass Gläubiger GmbH in Liquidation auch nach deren Löschung aus dem Handelsregister ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft haben können. Ausschlaggebend für das Einsichtsrecht ist, dass der Gläubiger ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht – und dafür reicht bereits die Vorlage einer Rechnung aus. Ein gerichtlicher Titel ist nicht erforderlich, weshalb die Anfordernisse für das Einsichtsrecht leicht zu erfüllen sind.
Der zugrunde liegende Sachverhalt in diesem Rechtsstreit
Nach der Löschung einer insolventen GmbH aus dem Handelsregister beantragte eine ehemalige Geschäftspartnerin Einsicht in die Bücher und Unterlagen der Gesellschaft. Sie berief sich auf eine noch offene Forderung, die durch eine vorgelegte Rechnung glaubhaft gemacht wurde. Der zuständige Liquidator verweigerte die Einsichtnahme. Für die Zurückweisung dieses Antrags (als vertretungsberechtigtes Organ im Namen der GmbH in Liquidation) war er nicht berechtigt und das Landgericht gab dem Antrag der Gläubigerin statt. Es sah das berechtigte Interesse gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 GmbHG als ausreichend belegt an.
Hinweis: Zum Schutze anderer berechtigter Interessen, wie bspw. Persönlichkeitsrechten, kann das Einsichtsrecht auch im Umfang beschränkt werden. Dann muss eine Abwägung der Interessen anhand der konkreten Umstände stattfinden, um zu verhindern, dass die berechtigten Interessen von Kunden oder Geschäftspartnern beeinträchtigt werden.
Entscheidung des OLG Bamberg
Die Beschwerde des Liquidators gegen die Entscheidung des Landgerichts wurde vom OLG Bamberg aus mehreren Gründen zurückgewiesen:
- Unzulässigkeit der Beschwerde: Der Beschwerdewert war zu gering, um das Rechtsmittel zu rechtfertigen.
- Begründetheit in der Sache: Die Vorlage einer Rechnung genügte nach Ansicht des Gerichts, um das berechtigte Interesse der Antragstellerin glaubhaft zu machen. Eine Titulierung der Forderung sei hierfür nicht erforderlich. Auch die bloße Möglichkeit, dass der Antrag missbräuchlich gestellt worden sein könnte, rechtfertige keine Versagung des Einsichtsrechts.
Praxishinweis für Gläubiger und Liquidatoren
Gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 GmbHG steht Gläubigern einer liquidierten GmbH das Recht zu, Einsicht in die verwahrten Bücher und Schriften zu verlangen, sofern sie ein berechtigtes Interesse geltend machen. Dieses Einsichtsrecht dient dazu, den Gläubigern die Suche nach potenziellen Vermögenswerten der Gesellschaft zu ermöglichen.
Die aktuelle Entscheidung des OLG Bamberg unterstreicht dabei eine zentrale Erleichterung für Gläubiger: Es ist nicht notwendig, die Forderung bereits gerichtlich tituliert zu haben. Es genügt, die Gläubigerposition glaubhaft zu machen, etwa durch die Vorlage einer Rechnung. Liquidatoren sollten daher sorgfältig prüfen, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, bevor sie eine Einsichtnahme verweigern.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Bamberg stärkt die Rechte von Gläubigern im Nachgang der Liquidation einer GmbH. Für ehemalige Geschäftspartner bietet sie eine wichtige Möglichkeit, bestehende Forderungen auch nach der Löschung der Gesellschaft durchzusetzen. Gleichzeitig erinnert das Urteil Liquidatoren daran, bei der Verweigerung von Einsichtnahmen restriktiv zu sein und die Interessen der Gläubiger angemessen zu berücksichtigen.
Jan Köster
Die kanzleiköster ist eine auf das Gesellschaftsrecht spezialisierte Boutique-Kanzlei in Münchens Museums- und Universitätsviertel Maxvorstadt.