Die Stellung als Geschäftsführerin einer GmbH wartet seit jeher mit einigen Besonderheiten auf. Die ohnehin schon vielschichtige rechtliche Situation wurde nun, durch die zum 01.01.2018 in Kraft getretenen Änderungen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), um eine weitere Facette für schwangere und stillende Geschäftsführerinnen ergänzt.
Durch die Änderungen verschwimmen für Geschäftsführerinnen zusehends die Grenzen, vom tradionellen Dienstvertrag, hin zu einem Arbeitsvertrag.
Mehr Rechte durch das neue Mutterschutzgesetz
Die für Geschäftsführerinnen relevanteste Neuerung wurde im neu geschaffenen § 1 Absatz 2 Satz 1 MuSchG vollzogen. Dabei wurde der Anwendungsbereich von Frauen in einem Arbeitsverhältnis, auf solche in einem Beschäftigtenverhältnis nach § 7 Abs. 1 des vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) erweitert.
Die damit vollzogene Angleichung an die sozialversicherungsrechtliche Begriffsbestimmung des Beschäftigungsverhältnisses hat weitreichende Folgen für Geschäftsführerinnen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) handelt es sich bei Geschäftsführerinnen grundsätzlich nicht um Arbeitnehmer. Der Zugang zu den Schutzvorschriften des MuSchG blieb ihnen somit verwehrt. Durch die erfolgte Angleichung an den sozialrechtlichen Begriff, fallen Geschäftsführerinnen nun in den Anwendungsbereich des MuSchG – allerdings nur soweit sie als sozialrechtlich Beschäftigte anzusehen sind.
Angleichung an das Sozialrecht
Wann eine Geschäftsführerin als Beschäftigte im sozialversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen ist, bestimmt sich maßgeblich nach ihrer Stellung in der Gesellschaft und der konkreten Ausgestaltung ihrer Tätigkeit.
Beschäftigung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die nichtselbständige Arbeit, nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
In diesem Rahmen zu unterscheiden sind
Fremdgeschäftsführerinnen und Gesellschafter-Geschäftsführerinnen mit Minderheitsbeteiligung
von
Gesellschafter-Geschäftsführerinnen mit Mehrheitsbeteiligung.
Die zentrale Frage für die Einordnung in die eine oder andere Gruppe, ist das Vorliegen eines Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung über den Geschäftsführer. Denn wer Weisungen des übergeordneten Organs unterliegt, rückt näher an das Arbeitnehmerlager heran und bedarf daher eines ausgeprägteren Schutzes. Dieses ist bei Fremdgeschäftsführerinnen stets der Fall.
Bei Gesellschafter-Geschäftsführerinnen ist entscheidend, ob sie über die Stimmverteilung in der Gesellschafterversammlung in der Lage sind, für sich nachteilige Beschlüsse abzuwehren. Dies kann zum einen über eine Mehrheitsbeteiligung von mindestens 50% am Stammkapital geschehen – solange der Anteil am Stammkapital dem Stimmanteil entspricht wie in § 47 GmbHG vorgesehen – oder über eine satzungsmäßig vereinbarte Sperrminorität. Schuldrechtliche Stimmbindungsverträge genügen in der Regel nicht.
Grenzen der Beschäftigung
Für Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführerinnen mit faktischer Sperrminorität kommt es für die Geltendmachung arbeits- und sozialrechtlicher Sonderbestimmungen, somit allein auf die Regelungen im Geschäftsführeranstellungsvertrages an. Hierbei empfiehlt sich eine frühzeitige Beratung durch einen Rechtsanwalt, da Umfang und Reichweite frei bestimmt werden können.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher ausschließlich auf Fremdgeschäftsführerinnen und Gesellschafter-Geschäftsführerinnen ohne maßgeblichen Einfluss auf die Beschlussfassung.
Die wichtigsten Neuerungen
Durch die Angleichung an die Begrifflichkeit der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung, ist nun nicht nur der Anwendungsbereich zu den Schutzvorschriften des MuSchG eröffnet. Die Vorschriften haben durch die Neuregelungen zum 01.01.2018 selbst auch eine erhebliche Erweiterung erfahren.
Erweitertes Beschäftigungsverbot – § 3 MuSchG
Ergänzend zu den bereits bestehenden Schutzfristen für ein Beschäftigungsverbot von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt, sind der Geschäftsführerin bei Früh- und Mehrlingsgeburten sowie bei festgestellter Behinderung des Kindes, gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG nun 12 Wochen zu gewähren.
Verbot der Nachtarbeit – § 5 MuSchG
Das für schwangere oder stillende Geschäftsführerinnen relevante Nachtarbeitsverbot wurde in § 5 Abs. 1 MuSchG n.F. leicht modifiziert. Zum einen wurden die Rückausnahmen des § 8 Abs. 3 MuSchG a.F. gestrichen. Hierbei handelte es sich um Ausnahmen vom Nachtarbeitsverbot für Gast- und Schankwirtschaften, den Melkbetrieb in der Landwirtschaft und künstlerische Aufführungen.
Zum anderen ist es nun, über ein in § 28 MuSchG geregeltes behördliches Genehmigungsverfahren möglich, das Nachtarbeitsverbot von der Zeit zwischen 20 und 6 Uhr, auf 22 Uhr zu verkürzen. Vorausgesetzt es bestehen keine gesundheitlichen Bedenken und die Geschäftsführerin willigt ein.
Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit – § 6 MuSchG
Hinsichtlich der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen bleibt es bei dem grundsätzlichen Verbot aus § 8 MuSchG a.F. Entfallen sind jedoch die umfänglichen Bereichsausnahmen nach § 8 Abs. 4 MuSchG a.F. Darunter z.B. die Gast- und Schankwirtschaften und das Beherbergungswesen.
Zulässig ist die Arbeit, wenn Gefährdungen ausgeschlossen werden können, eine zusätzliche Ruhezeit gewährt wird und keine Ausnahme nach § 10 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) besteht. Alles unter der Voraussetzung der Einwilligung der Geschäftsführerin.
Freistellungen für Untersuchungen und zum Stillen – § 7 MuSchG
Während der Stillzeit haben Geschäftsführerinnen auch weiterhin einen Anspruch auf Freistellung gegen die Gesellschaft von mindestens einer halben Stunde, zwei Mal pro Tag. Nach § 7 Abs. 2 MuSchG n.F. ist dieser Anspruch nun aber zeitlich auf die ersten 12 Monate nach der Entbindung begrenzt.
Beurteilung der Arbeitsbedingungen und Schutzmaßnahmen – § 10 MuSchG.
Im Bereich des Arbeitsschutzes ist es zu einer Klarstellung durch den Gesetzgeber gekommen. Das der Gesellschaft als Arbeitgeber in § 1 der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) noch eingeräumte Ermessen zur Gefährdungsbeurteilung, ist in § 10 Abs. 1 MuSchG n.F. einer Pflicht gewichen. Vor Umsetzung der notwendigen Maßnahmen besteht ein Beschäftigungsverbot für die schwangere oder stillende Geschäftsführerin.
Kündigungsverbot – § 17 MuSchG
§ 17 MuSchG n.F. ersetzt § 8 MuSchG a.F. lediglich in Form einer optischen Untergliederung. Damit bleibt es wie zuvor bei einem Kündigungsverbot von Geschäftsführerinnen während der Schwangerschaft, bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung. Ebenfalls beließ es der Gesetzgeber beim Erfordernis der Kenntnis des Arbeitgebers von Schwangerschaft, Fehlgeburt oder Entbindung, zum Zeitpunkt der Kündigung oder durch Mitteilung innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung.
Auf wessen Kenntnis abzustellen ist
Noch ungeklärt ist dabei die Frage, wer die Rolle des kenntnisrelevanten Arbeitgebers übernehmen soll. Denn die Geschäftsführerin übt, als Organ der Gesellschaft gleichzeitig die Arbeitgeberrolle aus. Ihre Kenntnis wird der Gesellschaft daher zugerechnet gem. § 35 Abs. 1 GmbHG, § 166 BGB analog. Sollte ein zweiter Geschäftsführer bestellt worden sein, so dürfte zumindest auch auf dessen Kenntnisnahme für die Fristberechnung abgestellt werden können. Schwieriger gestalten sich die Fälle, in denen nur eine Geschäftsführerin bestellt wurde.
Soweit es um Kündigungen geht, erscheint es nicht nur sinnvoll, sondern auch geboten auf die Kenntnisnahme der Gesellschafterversammlung abzustellen. Denn diese ist allein für die Bestellung und Abberufung nach §§ 46 Nr. 5, 38 GmbHG, als auch zur – davon unabhängigen – Kündigung der Geschäftsführerin zuständig. Die kurze Frist von zwei Wochen, nach Ausspruch der Kündigung, machte es dann allerdings praktisch notwendig, den Zugang der Erklärung an die Gesellschafter genügen zu lassen gem. §§ 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG analog. Dabei stellt sich wiederum die Frage, ob der Zugang an alle Gesellschafter erforderlich wäre, oder ob die Mitteilung an einen der Gesellschafter genügte. Unter Berücksichtigung der Regelungen zur Passivvertretung, spricht vieles dafür die Mitteilunng an einen Gesellschafter nach § 164 Abs. 3 BGB analog genügen zu lassen.
Ließe man hingegen hingegen die Kenntnis der Geschäftsführerin selbst genügen, verlöre die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG jegliche Bedeutung. Dies mag zwar im Lichte des Mutterschutzes sinnvoll erscheinen. Dennoch dürfte darin eine ausfüllgungsbedürftige Regelungslücke liegen.
Beschäftigung nach dem Ende des Beschäftigungsverbots – § 25 MuSchG
Mehr Rechte gewährt der neu geschaffene § 25 MuSchG n.F. Die Gesellschaft muss die Geschäftsführerin nach dem Ende eines Beschäftigungsverbotes im Sinne der §§ 2 und 3 MuSchG n.F. auf Verlangen weiter beschäftigen. Damit einher geht die Pflicht für die Gesellschaft, einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz für die Geschäftsführerin freizuhalten.
Aushang des Gesetzes und Bußgeldvorschriften – § 25 MuSchG
Mit einer Besonderheit wartet § 25 MuSchG n.F. auf. Demnach müssen in Betrieben und Verwaltungen, in denen regelmäßig mehr als drei Frauen beschäftigt werden, Kopien des neuen Mutterschutzgesetzes ausgelegt oder ausgehangen werden, soweit die Regeln nicht bereits über ein elektronisches Verzeichnis jederzeit einsehbar sind.
Da Geschäftsführerinnen, nach neuer Rechtslage unter den Begriff der Beschäftigten fallen gem. § 1 Abs. 2 MuSchG n.F., § 7 Abs. 1 SGB IV, müssen sie hierbei nun folglich mitgezählt werden.
Bußgeldvorschriften – § 32 MuSchG
Augenmerk ist auf den neuen Bußgeldkatalog in § 32 MuSchG n.F. zu legen. Eine Verletzung gegen die Pflicht zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung aus § 10 Abs. 1 S. 1 MuSchG n.F. (s.o.), kann ab dem 01.01.2019 mit Geldbußen in Höhe von bis zu 5.000,- Euro belegt werden nach § 32 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 MuSchG n.F.
Da die Pflichten der Arbeitgeberseite primär von der Geschäftsführung ausgeübt werden. Diese aber nur bedingt die Gesellschaftspflichten gegenüber sich selbst ausüben kann, wird in diesen Fällen auf die Gesellschafterversammlung abzustellen sein (s.o.).
Praxistipp
Die Einbeziehung von Geschäftsführerinnen unter die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes stellen eine erhebliche Erweiterung des Pflichtenkataloges von Gesellschaften dar und können somit nicht leichtfertig ignoriert werden. Da die meisten Alt-Anstellungsverträge, angesichts fehlender Ausgestaltung, selbst sämtliche Pflichten schwangerer und stillender Geschäftsführerinnen klären mussten, bestehen durch die jüngste Gesetzesänderung eine Vielzahl von Kollisionen zwischen dem neuen Mutterschutzgesetz und alten Anstellungsverträgen. Fraglich ist dabei, wie bereits gewährte vertragliche Rechte, im Lichte der Gesetzesänderungen bewertet werden müssen. Sind damit Vergünstigungen mehrfach, also doppelt zu gewähren oder schlicht auf die gesetzlichen Rechte anzurechnen.
Hinter diesen Fragestellungen verbirgt sich erhebliches Konfliktpotenzial, das idealerweise vorab, durch eine treffende und umfassende Beratung vom Experten für Gesellschaftsrecht geklärt werden sollte.