Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden nach § 69 AO

Aufgelaufene Steuerschulden einer Gesellschaft können schnell zu einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer nach § 69 AO führen. Eine Gesellschaft muss vielerlei Steuern abführen. Dies geschieht im laufenden Geschäftsbetrieb meist auch reibungslos. Schwindet in der Krise und Insolvenz der Gesellschaft allerdings die Liquidität, so kommen Geschäftsführer oftmals in die Versuchung Steuern auflaufen zu lassen und den lauter schreienden Lieferanten zu bezahlen.

Welche Haftungsrisiken sich so ergeben und wie man diese vermeidet, zeigt dieser Artikel:

Wer ist bei der Gesellschaft für Steuern zuständig?

Da die Gesellschaft als juristische Person selbst nicht handeln kann, treffen die Geschäftsführer einige öffentlich rechtliche Pflichten, um die Steuerbegleichung sicherzustellen:

  • Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht gem. §§ 143 – 146 AO
  • Abgabepflicht für Steuererklärungen § 149 AO
  • Berichtigungspflicht bei unrichtigen Erklärungen § 153 AO
  • Steuerliche Auskunftspflichten gem. §§ 90, 91, 93 und 137 AO

Organisatorisch und haftungsrechtlich zuständig innerhalb der Gesellschaft sind also der oder die Geschäftsführer. Hieran knüpft auch der Haftungstatbestand des § 69 AO an, welcher hinsichtlich dem Kreis möglicher Haftungsschuldner auf § 34 AO verweist und damit auf die Geschäftsführer der Gesellschaft. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so trifft diese Pflicht zunächst alle Geschäftsführer gleichermaßen. Entsprechendes gilt natürlich auch für andere Rechtsformen als die GmbH. Hier haften dann auch die gesetzlichen Vertreter, wie beispielsweise der Vorstand bei der Aktiengesellschaft.

Praxistipp:

Haftungsschutz durch Resortverteilung? Bei mehreren Geschäftsführern werden oftmals die Aufgaben unter diesen verteilt. Dies führt allerdings nicht dazu, dass sich die übrigen Geschäftsführer blind auf denjenigen verlassen dürfen, der intern für die Steuern zuständig ist. Sie sind vielmehr zur Überwachung verpflichtet, deren Ausmaß sich nach den Umständen des Unternehmens richtet und sich im Krisenfall intensiviert. Besondere Kontrollpflichten treffen insbesondere einen Vorsitzenden der Geschäftsführer. Die Überwachung darf auch nicht delegiert werden.

Wann haftet ein Geschäftsführer nach § 69 AO?

Besonders relevant wird § 69 AO in der Krise. Hier müssen Geschäftsführer oft schnell getaktete Entscheidungen treffen, welche sich nur als eine Wahl zwischen Pest und Cholera darstellen. Bezahle ich den Lieferanten, welcher für das Unternehmen wichtige Bauteile liefert, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu halten? Zahle ich die Löhne der Mitarbeiter voll aus? Begleiche ich Steuerschulden? All diese Entscheidungen schränken die Liquidität an anderer Stelle ein. Oftmals kommen Geschäftsführer dann in Versuchung den Fiskus hintanzustellen.

Dieses Vorgehen kann sich haftungstechnisch allerdings als fatal darstellen. § 69 AO soll letztendlich sicherstellen, dass gerade eine solche Schlechterstellung des Staates im Wettlauf der Gläubiger vermieden wird. Er gibt dem Geschäftsführer die Pflicht auf, den Fiskus prozentual mindestens gleichwertig mit anderen Gläubigern zu befriedigen. Andernfalls haftet der Geschäftsführer persönlich für die Differenz.

Folgende Tatbestandsmerkmale des § 69 AO müssen für die Haftung erfüllt sein:

  • Steuerschuld
  • Pflichtverletzung des Geschäftsführers
  • Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit)
  • Kausaler Schaden

Um ein Problembewusstsein zu schaffen und zu zeigen, worauf es bei § 69 AO ankommt, werden die einzelnen Tatbestände nun näher beleuchtet:

  1.        Steuerschuld

Dieses Tatbestandsmerkmal ist noch leicht verständlich. Nur wenn auch tatsächlich eine Steuerschuld vorlag, kann es zu einer Haftung kommen, weil nur dann der Geschäftsführer seine Pflichten verletzen konnte. Es wird bei der Beurteilung der Haftung dementsprechend auch auf die Prüfung einer materiell rechtlichen Steuerschuld ankommen.

Wichtig ist hierbei, dass nicht nur die Hauptsteuerschuld erfasst ist. Auch Erstattungen und Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wie Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge, Zinsen und Zwangsgelder werden hier erfasst. Ein Mitverschulden seitens des Finanzamtes ist jedoch bei der Höhe der Haftung zu berücksichtigen.

2.       Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer

Die Hauptanwendungsfälle in der Praxis liegen in der nicht rechtzeitigen Abgabe von Steuererklärungen oder der Nichtbezahlung von Steuerschulden im Rahmen der gesetzlichen Fristen. Das Ganze muss noch grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich geschehen sein. Der Geschäftsführer kann sich jedoch – wie gezeigt – nicht darauf berufen, dass er für Steuerangelegenheiten innerhalb der Gesellschaft nicht zuständig war, wenn er seinen Überwachungspflichten nicht nachgekommen ist.

Ein weiterer Fall liegt in der Schlechterstellung des Fiskus im Vergleich zu anderen Gläubigern, wenn es später zu einer Insolvenz kommt. Die Befriedigung des Fiskus muss Prozentual der übrigen Befriedigungsquote entsprechen, wobei der zu betrachtende Zeitraum zwischen Fälligkeit und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft liegt. Bei einer Nichtabgabe der Steuererklärung beginnt der Zeitraum mit dem Tag an dem bei ordnungsgemäßer Abgabe die Steuer fällig geworden wäre. Die Haftungsquote richtet sich nach der Benachteiligung des Finanzamtes. Hierfür wird betrachtet, wie viel Prozent der sonstigen Verbindlichkeiten in dem Zeitraum erfüllt wurden und ob die Befriedigung des Finanzamtes diese Quote erreicht. Wird die Quote nicht erreicht, stellt die Differenz den Schaden dar.

Praxistipp:

Wirkt der Geschäftsführer bei der Ermittlung der Haftungsquote nicht mit, so maßt sich das Finanzamt eine Schätzungsbefugnis an. Die fehlende Mitwirkung hat auch Auswirkungen auf Schätzungsfehler.

Die Beweislast für ein Verschulden liegt beim Finanzamt. Diese müssen anhand des Sachverhaltes positiv feststellen, dass tatsächlich eine schuldhafte Pflichtverletzung seitens der Geschäftsführung vorliegt.

3.         Kausaler Schaden

Es muss weiterhin gerade durch die Handlung oder Unterlassung ein Schaden eingetreten sein. Hier werden in § 69 AO fünf verschiedene Möglichkeiten eines Schadens aufgeführt:

  • Steueranspruch ist nicht festgesetzt
  • Steueranspruch nicht rechtzeitig festgesetzt
  • Steueranspruch wird nicht erfüllt
  • Steueranspruch wird nicht rechtzeitig erfüllt
  • Unrechtmäßig gewährte Erstattung

Keine Kausalität z.B. ist dann gegeben, wenn bereits bei Fälligkeit der Steuerschuld diese mit den vorhandenen Geldmitteln nicht mehr befriedigt werden konnte. Hier ist dann wieder auf den Grundsatz der anteiligen Befriedigung zu achten.

Risiken durch anwaltliche Beratung vermeiden

Wir stellen immer wieder fest, dass Geschäftsführer in der Krise von der Situation überwältigt und ohne den rechtlichen Kompass in verschiedenste Haftungsfallen laufen, welche bei rechtzeitiger Beratung allesamt vermeidbar waren. Oftmals hilft ein klärendes Gespräch am Anfang der Krise, um das entsprechende Problembewusstsein zu schaffen. Bei konkreten Fragen kann dann präzise nachberaten werden. Zudem kann der Geschäftsführer auf diese Weise seine konkreten Handlungsschritte dokumentieren und im Insolvenzfall nachweisbar gestalten.

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